Nach dem verspäteten iranischen Bekenntnis zum Raketenabschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs beharren ausländische Regierungen auf einer transparenten Untersuchung. Im Iran gingen unterdessen laut in Onlinenetzwerken verbreiteten Bildern die nach dem Eingeständnis des Raketenabschusses ausgebrochenen Proteste offenbar weiter.
"Wir wissen, was passiert ist. Was wir nicht wissen, ist, warum es passiert ist", sagte am Montag die Chefin der kanadischen Verkehrssicherheitsbehörde TSB, Kathy Fox. Fox nannte als offene Fragen, ob der Raketenbeschuss absichtlich gewesen sei oder nicht und warum der Luftraum angesichts des dramatisch eskalierten Konflikts zwischen dem Iran und den USA offen gehalten worden war.
"Menschlicher Fehler"
Die iranische Regierung hatte erst nach tagelangen Dementis zugegeben, dass die Maschine von einer iranischen Luftabwehrrakete getroffen worden war. Staatschef Hassan Rouhani führte dies auf einen "menschlichen Fehler" zurück. Kurz vor dem Abschuss des Passagierflugzeugs am Mittwoch vergangener Woche hatte der Iran zwei von den US-Streitkräften genutzte Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen.
Am Donnerstag soll in London ein erstes Koordinationstreffen der Staaten stattfinden, aus denen bei dem Absturz Menschen ums Leben kamen. Teilnehmen werden die Außenminister von Afghanistan, Großbritannien, Kanada, Schweden und der Ukraine, wie der kanadische Chefdiplomat Francois-Philippe Champagne mitteilte.
Durch das Treffen solle der Druck auf den Iran aufrechterhalten werden, damit das Land den ausländischen Ermittlern vollen Zugang zum Beweismaterial gewähre und die Untersuchung transparent führe, schrieb Champagne im Internetdienst Twitter. Auch werden die Außenminister nach seinen Angaben über die angestrebten Entschädigungen für die Hinterbliebenen beraten.
Rolle Kanadas bei Ermittlungen
Die kanadische Behördenchefin Fox sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass der Iran ihrer Behörde bei der Untersuchung des Absturzes eine "aktivere Rolle" zugestehen wolle, als "normalerweise erlaubt ist". Nach ihren Angaben wurden die kanadischen Ermittler von Teheran eingeladen, an der Auswertung der Flugschreiber teilzunehmen und das Wrack zu begutachten. Die kanadische Regierung wollte vier Ermittler in den Iran entsenden. Unter den Todesopfern waren 57 Kanadier.
Die nach dem iranischen Bekenntnis zu dem Raketenabschuss ausgebrochenen Proteste gegen die Regierung hielten am Montag offenbar den dritten Tag in Folge an. Darauf deuteten in den Onlinenetzwerken kursierende Videos hin. Sie zeigten anscheinend Demonstrationen an der Sharif-Universität in Teheran, in der Stadt Sanandadsh im Kurdengebiet und in Isfahan.
In den Videos waren Demonstranten zu sehen und hören, die Slogans gegen die Regierung und auch gegen die schiitische Geistlichkeit riefen. In den Onlinenetzwerken wurde zu weiteren Demonstrationen in den nächsten Tagen aufgerufen.
Waffen gegen die Demonstranten?
Bilder von den Protesten am Wochenende hatten gezeigt, dass die Sicherheitskräfte offenbar hart gegen die Proteste vorgingen. Auf mehreren Webvideos war zu sehen, wie eine Menschenmenge nahe des Asadi-Platzes in Teheran mit Tränengas auseinandergetrieben wird und die Menschen schreiend davonrennen. Ein Video zeigte eine blutende Frau auf einem Gehweg. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die genaue Zeit und den Ort der Geschehnisse aus den Videos nicht überprüfen.
Die iranische Regierung bestritt jedoch, dass die Polizei Waffen gegen die Demonstranten eingesetzt habe. Die Sicherheitskräfte in Teheran hätten "überhaupt nicht geschossen", weil sie einen "Befehl zur Zurückhaltung" bekommen hätten, erklärte Polizeigeneral Hossein Rahimi.
US-Außenminister Mike Pompeo sicherte den Demonstranten die Solidarität der Vereinigten Staaten zu. Die USA stünden auf der Seite der Protestierenden, die "in berechtigtem Zorn" nach "Freiheit und Gerechtigkeit" riefen. Der US-Chefdiplomat beschuldigte Teheran, "alles tun" zu wollen, um die Proteste zu beenden.
Mitte November waren im Iran landesweite Proteste gegen eine Erhöhung des Benzinpreises blutig niedergeschlagen worden. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden dabei mehr als 300 Menschen getötet.