Die Wiener Pädagogin Mülkiye Lacin darf aus der Türkei ausreisen, wie David Lang, Mitglied des Solidaritätskomitees "Free Mülkiye", der APA am Donnerstag mitteilte. Die kurdischstämmige Österreicherin saß seit sechs Monaten in der Türkei fest. Grund war der Vorwurf der türkischen Behörden der Propaganda für eine "terroristische Organisation".
Am ersten Prozesstag am Donnerstag wurde von dem türkischen Gericht in Tunceli in Ostanatolien das Ausreiseverbot gegen die Pädagogin laut Lang aufgehoben. Zwar sei das Verfahren zur Zeit noch nicht abgeschlossen, weil die türkischen Behörden noch Anfragen an die österreichischen Behörden hätten. Welche genau das sind, war zunächst nicht bekannt.
Lacin könne sich dabei aber in Zukunft von Österreich aus anwaltlich vertreten lassen. Lacin reagierte Lang zufolge "überglücklich", zu ihrer Familie, Freunden und zu ihrer Arbeit wieder zurückzukehren. Sie bedanke sich bei allen Unterstützern und möchte mit dem nächsten Flug nach Österreich kommen.
Propaganda für eine "terroristische Organisation"
Die Wiener Pädagogin war 1984 von der Türkei nach Österreich ausgewandert und arbeitete als Freizeitpädagogin in einer Schule in Wien-Brigittenau. Während ihres Urlaubs wurde sie am 17. Juli 2019 von einer Sondereinheit der türkischen Polizei an ihrem Ferienort in der Türkei aufgesucht und für 24 Stunden festgenommen. Seither durfte sie nicht aus der Türkei ausreisen und saß im Land fest. Der Vorwurf der türkischen Behörden hieß, Propaganda für eine "terroristische Organisation". Dafür drohen zehn Jahre Haft.
Die Tochter der Angeklagten, Sirma Kapan, verlas bei einer Pressekonferenz am gestrigen Mittwoch in Wien eine Botschaft ihrer Mutter: "Ich hoffe, dass am 9. Jänner die Demokratie gewinnt (...)". Kapan berichtete, dass die Vorwürfe gegen ihre Mutter "sehr willkürlich" und "haltlos" seien. Konkret vorgeworfen werde ihr etwa die Rede bei einer Veranstaltung zum 1. Mai, in der sie auf die Missstände in der Türkei und die Lage der Kurden eingegangen war. Ihre Mutter sei "eine politische Frau, die sich für Gleichheit und Fairness einsetzt". Angeführt in der Anklageschrift werde darüber hinaus, dass sie in Sozialen Medien kurdische Lieder und Neujahrswünsche in kurdischer Sprache gepostet habe.
Laut Anklageschrift werde der Verein Demokratisches Zentrum der KurdInnen (DTKM) in Wien, zu dessen Co-Vorsitzende Lacin 2016 gewählt wurde, als verlängerter Arm der Terrororganisation PKK bzw. der KCK (Union der Gemeinschaft Kurdistans) bezeichnet, heißt es in der Presseinformation des Solidaritätskomitees "Free Mülkiye". Lacin soll demnach außerdem an der Besetzung der kenianischen und griechischen Botschaft nach der Festnahme von PKK-Gründer Abdullah Öcalan in Kenia 1999 beteiligt gewesen sein.
Der in der Türkei freigesprochene Aktivist und freie Journalist Max Zirngast bezeichnete die Anklageschrift als eine "wüste Zusammenstellung" von bereits lange zurückliegenden Ereignissen.
Lacins Tochter kritisierte das Außenministerium, das sich anfangs "nicht besonders interessiert und tatkräftig" gezeigt habe. Willi Mernyi, Leitender Sekretär des ÖGB, der sich in dem Fall engagiert, war selbst mit dem Außenministerium im Kontakt und erzählte ebenfalls von einer "Behäbigkeit" der Behörde. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte der APA, dass am Prozessauftakt am Donnerstag ein Vertreter der österreichischen Botschaft in Ankara teilnehme.