Ein "holpriges" Jahr, ein fehlendes Bild von PrinzHarry und der Aufruf an ihre Landsleute, die Spaltung zu überwinden: In ihrer Weihnachtsansprache ist die britische Königin Elizabeth II. ungewöhnlich persönlich geworden. Neben Aussagen, die auf familiäre Probleme der Royals anspielen, ging sie in ihrer Rede auf die Herausforderungen ein, denen Großbritannien nach dem Brexit entgegenblickt.
Für weiteres Aufsehen sorgte ein Weihnachtsgottesdienst ohne Prinz Philip, dafür mit dem skandalumwitterten Sohn Prinz Andrew. In ihrer am Mittwoch im Fernsehen übertragenen Weihnachtsansprache blickte Elizabeth auf ein "ziemlich holpriges" Jahr 2019 zurück, "in dem kleine Schritte eine Welt voller Unterschiede machen können". Das Leben von Jesus zeige, wie wichtig Versöhnung sei, sagte die Queen, die ein leuchtend blaues Kostüm trug. Jesus sei ein Beispiel dafür, dass schon "kleine Schritte im Glauben und in der Hoffnung lang anhaltende Differenzen und tief sitzende Spaltungen überwinden können".
Turbulentes Jahr
2019 war für die britische Königsfamilie wie für das Vereinigte Königreich insgesamt mehr als turbulent. Einen Skandal löste der zweitälteste Sohn von Elizabeth II., Prinz Andrew, mit einem BBC-Interview aus, in dem er sein Verhältnis zu dem verurteilten US-Sexualstraftäter Jeffrey Epstein verteidigte. Nach massiver Kritik an seinen Äußerungen kündigte der Prinz an, seine öffentlichen Ämter bis auf weiteres niederzulegen.
Auch Elizabeths Enkel Prinz Harry und seine Frau Meghan Markle machten 2019 Schlagzeilen. Sie sprachen in einem Interview über die Schattenseiten eines Lebens in der Öffentlichkeit. Zu Weihnachten zog das junge Paar mit seinem in diesem Jahr geborenen Sohn Archie es vor, nicht mit den Royals in Großbritannien zu feiern, sondern bei Meghans Mutter in Kanada.
Enttäuscht von Harry
Gerüchten zufolge soll die Monarchin sehr enttäuscht von ihrem Enkel und dessen Frau gewesen sein. Auffällig war daher, dass ein Bild der beiden auf dem Tisch fehlte, an dem die Queen ihre Weihnachtsansprache hielt. Stattdessen waren gerahmte Fotos von Elizabeths Vater, König George VI., ihrem Ehemann Philip, Prinz William und seiner Familie sowie Thronfolger Prinz Charles und Herzogin Camilla zu sehen. Es sei davon auszugehen, dass über jedes Bild "sorgfältig nachgedacht" wurde, schrieb die Zeitung "The Times".
"Holpriges Jahr"
Auch der Begriff "holprig" ist nach Einschätzung von Experten das deutlichste Eingeständnis von Problemen, seit Elizabeth das Jahr 1992 als "schreckliches Jahr" bezeichnete. Damals gingen die Ehen drei ihrer Kinder in die Brüche und ihr geliebtes Schloss Windsor fast gänzlich in Flammen auf.
Nicht nur privat, sondern auch politisch war 2019 für die Königin herausfordernd: Zwei Mal eröffnete die Monarchin das Parlament - zuletzt in der vergangenen Woche, als sie das Regierungsprogramm des neu gewählten Premierministers Boris Johnson im Unterhaus verlas.
Die Monarchin erinnerte in ihrer Rede aber auch an gänzlich andere Momente des Jahres, darunter das 50. Jubiläum der Mondlandung. Sie zitierte den berühmten Ausspruch des Astronauten Neil Armstrong vom großen Sprung für die Menschheit. Neben dem englischen Wort "mankind" für Menschheit, erwähnte sie, dass es "gewiss auch ein großer Sprung für die Frauen" ("womankind") gewesen sei. Die Herausforderungen der Menschen seien andere als die "meiner Generation", sagte die Königin. "Ich bin beeindruckt von den neuen Generationen", die für den Schutz der Umwelt und des Klimas kämpften.
Gute Nachrichten gab es unterdessen von Prinz Philip: Der 98-jährige Gemahl von Elizabeth war an Heiligabend nach vier Nächten im Krankenhaus entlassen worden. Er nahm jedoch am Mittwoch nicht am traditionellen Weihnachtsgottesdienst der Royals in Sandringham teil. Nach Angaben des Buckingham-Palastes war Philip zur Beobachtung und als "Vorsichtsmaßnahme" ins Krankenhaus gebracht worden.