Zwei Wochen Feilschen, Taktieren und Manipulieren: Auf der Weltklimakonferenz rangen sich die mehr als 190 Länder in Madrid am Sonntag nur zu einem dürftigen Minimalkompromiss durch.
In der Abschlusserklärung werden die Länder zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung 2020 aufgerufen – wichtige Entscheidungen wie die Hilfe für arme Länder und die Ausgestaltung des weltweiten Emissionshandels wurden auf die lange Bank geschoben.
Die spanische Regierung, die als Gastgeber auftrat, pries das Abschlusspapier als Auftrag an die Länder, den Klimaschutz erst zu nehmen. Alle müssten „mehr und schneller“ handeln, betonte Spaniens Umweltministerin Teresa Ribera. Damit werde der internationale Fahrplan bekräftigt, der im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben ist.
Laut dem Pariser Abkommen müssen die Staaten im kommenden Jahr ihre Klimaschutzpläne nachschärfen, um die Erderwärmung noch auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Aus deutschen Delegationskreisen hieß es, im globalen Kampf gegen die Erderwärmung habe es „wenigstens keine Rückschritte“ gegeben.
Schub blieb aus
Eigentlich wollten die Vereinten Nationen durch den Riesenkongress mit rund 30.000 Teilnehmern einen neuen Schub für den Klimaschutz auslösen. Auch planten die UN, angesichts der weltweiten Klimaproteste und der wissenschaftlich fundierten Hiobsbotschaften über die Erderwärmung ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Umweltschützer übten teilweise scharfe Kritik an dem Ergebnis der 25. Weltklimakonferenz (COP25), die unter dem Motto „Zeit zu handeln“ stand. Das „Ergebnis der COP25 ist völlig inakzeptabel“, urteilte Jennifer Morgan, Direktorin von Greenpeace International.
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, erklärte: „Alle Länder sehen, dass der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas nun in eine ernsthafte Phase kommt.“ Einige Staaten aber, wie die USA, Brasilien und Australien, die eng mit der fossilen Lobby verbunden sind, organisierten eine letzte Abwehrschlacht und zielten auf eine Schwächung des Klimaschutzes, betonte Bals.
Diplomatisches Tauziehen
Der Einigung in Madrid ging ein tagelanges diplomatisches Tauziehen zwischen mehreren Ländergruppen voraus. Auf der einen Seite standen Blöcke und Staaten wie die EU, Deutschland, Norwegen, die Schweiz, Spanien und Kolumbien. Sie machten sich für mehr globalen Klimaschutz stark.
Gegenüber Klimasündern eingeknickt
Dem gegenüber stand die informelle Koalition: USA, Australien und Brasilien mit Gesinnungsgenossen. Die Vertreter dieser Staaten wirkten meist hinter den Kulissen und übten laut Diplomaten besonderen Druck auf die Präsidentin des Kongresses, die Chilenin Carolina Schmidt, aus.
Schmidt legte wenig überraschend am Samstag denn auch einen arg verwässerten Entwurf eines Abschlussdokumentes vor, den die EU klar ablehnte. Umweltschützer empörten sich über das Schriftstück. Jennifer Morgan von Greenpeace warf Chile vor, gegenüber den „Klimasündern“ eingeknickt zu sein. „Zynismus und Gier“ hätten gesiegt. Daraufhin erhöhte die EU den Druck auf die chilenische Präsidentin. Schließlich präsentierte Schmidt einen abgeänderten Text, dem alle Teilnehmer zustimmen konnten.
Die Appelle von Millionen demonstrierenden Menschen und der Wissenschaft nach mehr Klimaschutz wurden in Madrid allenfalls zur Kenntnis genommen: Von den Großen versprach nur die EU eine ökologische Wende.
Ursprünglich hätte die Konferenz in Chile stattfinden sollen. Wegen der sozialen Unruhen sagte die Regierung in Santiago Ende Oktober den Kongress ab. Spanien sprang kurzfristig ein.
Ironie am Rande: Der Kongress in den riesigen Messehallen nahe dem Madrider Flughafen stand unter dem Motto: „Zeit zu handeln“. Tragisch aber: Der Kongress der unerträglich langen Verhandlungsnächte verursacht einen Ausstoß von rund 65.000 Tonnen des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids.
Jan Dirk Herbermann aus Madrid