Europa steht beim Kampf für Klimaschutz und Artenvielfalt im Jahr 2020 vor Herausforderungen beispiellosen Ausmaßes und noch nie dagewesener Dringlichkeit. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Umweltagentur (EEA) in ihrem am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Fünfjahresbericht zur Lage und zu den Aussichten der Umwelt in Europa.
Ein Kurswechsel sei dringend notwendig, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und letztlich den Wohlstand der Zukunft zu sichern. Es handle sich um die "entscheidende Herausforderung dieses Jahrhunderts".
Gerade auf dem Weg zu den EU-Zielen 2030 ist die EEA kritisch. Die gesteckten Zielvorgaben würden nicht erreicht, wenn in den kommenden zehn Jahren nicht mit aller Kraft gegen das alarmierende Maß des Artenverlustes, die zunehmenden Folgen des Klimawandels sowie den übermäßigen Verbrauch natürlicher Ressourcen vorgegangen werde, hieß es von der in Kopenhagen ansässigen Behörde.
Europa mache nicht ausreichend Fortschritte, auch wenn in den vergangenen beiden Jahrzehnten Entscheidendes etwa zur Verringerung der CO2-Emissionen getan worden sei, erklärte die EEA. Auch Luft-und Wasserqualität seien besser geworden. Diese und andere Errungenschaften seien bedeutsam, reichten aber bei weitem nicht aus. Die europäischen Länder und Entscheidungsträger müssten das kommende Jahrzehnt dazu nutzen, ihre Maßnahmen radikal auszuweiten und zu beschleunigen, um Europa wieder auf dem Weg zu seinen mittel-und langfristigen Zielen zu bringen - und unumkehrbare Veränderungen und Schäden zu verhindern.
Alternativen schaffen
Im Kampf für Umwelt und Klima hake es vor allem bei der Umsetzung bestehender politischer Maßnahmen, sagte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx. "Wir sollten besser darin werden, die von uns festgelegten politischen Ziele einzuhalten."
Wichtig sei unter anderem, sich von Unnötigem zu verabschieden und Alternativen zu schaffen. "Wir müssen besser darin werden, Dinge loszuwerden, die keine Zukunft haben", sagte der gebürtige Belgier. Wenn man darüber hinaus etwa Kurzstreckenflüge loswerden wolle, müsse man den Bürgern effiziente Alternativen ermöglichen - etwa auf der Schiene. Die meisten Lösungen lägen bereits auf dem Tisch.
Vier große Systeme
Es gehe vor allem um vier große Systeme, in denen sich etwas tun müsse, führte Bruyninckx aus: das immer noch zu viel Kohlendioxid ausstoßende Energiesystem, den Transportsektor, das an vielen Stellen kränkelnde Lebensmittelsystem sowie die Art und Weise, wie Städte mit Faktoren wie Wohnungsbau, Mobilität und sozialen Dynamiken umgingen.
Die Situation der Umwelt habe sich seit dem Erscheinen des vorherigen Berichts vor fünf Jahren insgesamt verschlechtert, der jetzige Ausblick sei uneinheitlich, hieß es in dem Bericht. Es bestehe aber auch Grund zur Hoffnung, da das öffentliche Interesse an Klima- und Umweltthemen sowie einer nachhaltigen Zukunft zugenommen habe. Auch technologische Innovationen, mehr Initiativen und die Aussicht auf den European Green Deal der neuen EU-Kommission um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stimmten hoffnungsvoll.
Passender Zeitpunkt
Der neue Fünfjahresbericht der EEA kommt zu einem passenden Zeitpunkt: Zum einen läuft in diesen Tagen die UN-Klimakonferenz in Madrid, zum anderen hat in Brüssel gerade eine neue EU-Kommission ihre Arbeit aufgenommen, die sich einen verstärkten Kampf für Klima und Umwelt auf die Fahnen geschrieben hat. Zudem halten viele Forscher und Aktivisten 2020 für das entscheidende Jahr, in dem die Emissionskurven endlich deutlich sinken müssen, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden.
Gerade die Ankündigungen der EU-Kommission zu einem European Green Deal sorgen bei der EEA für Zuversicht. "Natürlich besteht Hoffnung. Der European Green Deal erkennt die Dringlichkeit des Handelns in einem Maße an, wie wir es in Europa vorher nicht gesehen haben", sagte Bruyninckx. Die neue Kommission spreche ernsthaft über einen Übergang hin zu einem gesunden Planeten. "Erstmals in der Geschichte der europäischen Institutionen steht das hier so weit oben auf der Agenda. Unter von der Leyen ist es Priorität Nummer eins."
Wichtig sei dabei aber auch, sich nicht bloß auf diejenigen Maßnahmen zu stürzen, mit denen man am einfachsten die Ziele erreiche, sagte der EEA-Direktor. Vielmehr müsse auf die Initiativen gesetzt werden, die einen langfristig voranbrächten. "Ansonsten führt das in eine Sackgasse."