Die Arktis ist in den vergangenen Jahrzehnten zum "Hotspot" des Klimawandels geworden. Sie erwärme sich mehr als doppelt so schnell wie die restliche Welt, heißt es in einem am Donnerstag in Berlin präsentierten Bericht. Auslöser sind demnach komplexe Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Land, Meer und schwindendem Eis, heißt es im sechsten World Ocean Review (WOR). Eine besondere Gefahr kann auch die beschleunigte Eisschmelze in der Antarktis werden.
Neueste Satellitenbeobachtungen
Der Eisschwund in den Polargebieten gefährdet aufgrund der steigenden Wasserpegel Küstenregionen überall auf der Welt, wie Experten warnen. "Auch 2019 belegen die Satellitenbeobachtungen den fortschreitenden Verlust großer Meereisgebiete in der Arktis und die fortschreitende Dynamisierung antarktischer und grönländischer Kontinentaleismassen", schreibt der Vorsitzende des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (KDM), Ulrich Bathmann, in einem Vorwort des Berichts.
Vieles, was in dem gut 300 Seiten starken Papier zusammengetragen wurde, ist nicht überraschend und neu. Aber es bietet umfassendes und allgemeinverständlich aufgeschriebenes Hintergrundwissen. Anders als etwa der kürzlich vorgestellte Report zur Eisschmelze und den Ozeanen des Weltklimarats IPCC, der in erster Linie für Wissenschafter und Politiker geschrieben worden ist, richtet sich der WOR an einen sehr viel breiteren Kreis.
Der Rückgang des Meereises in der Barentssee und in der Karasee beeinflusst negativ die Stärke und den Verlauf des Jetstreams über der nördlichen Hemisphäre und nimmt damit auch indirekt Einfluss auf das Wetter in den mittleren Breiten, heißt es im WOR. Der Jetstream ist eine wellige Luftströmung in großer Höhe. Außerdem werde durch die Eisschmelze mehr Süßwasser in das Nordpolarmeer eingetragen. Welche Folgen dies hat, ist laut WOR noch unklar. "Forschende aber vermuten, dass sie die klimarelevante Umwälzung der Wassermassen im Nordatlantik bremsen - und infolgedessen der für Europa so wichtige Golfstrom an Kraft verlieren könnte."
Eisschmelze in der Antarktis
Eine besondere Gefahr kann auch die beschleunigte Eisschmelze in der Antarktis werden. Dem WOR zufolge hat sich der Gesamteisverlust in der Antarktis seit 2012 verdreifacht. Gestiegen sei auch der Beitrag zum globalen Meeresspiegelanstieg, der ebenfalls an Geschwindigkeit zunimmt: "Dieser fällt mit 3,3 Millimetern pro Jahr inzwischen doppelt so hoch aus wie noch im Jahr 1990." Die Verfasser des Berichts beschäftigen sich auch mit weiteren Aspekten, die eine Bedrohung für den Lebensraum Polarregion darstellen. Experten gehen von einer weitreichenden Beeinträchtigung der Pflanzen- und Tierwelt durch zunehmenden (touristischen) Schiffsverkehr aus.
Zudem werden abbaubare Ressourcen in vormals unzugänglichen Regionen zugänglich, neue Fischfanggebiete sowie kürzere Schifffahrtswege erschlossen, deren Nutzungsrechte am und unter dem Meeresboden insbesondere im arktischen Polarmeer noch nicht abschließend geklärt sind, schreiben die Sprecher des Forschungsnetzwerks Future Ocean in ihrem gemeinsamen Vorwort.