Mullumbimby hört sich alles andere als russisch an. Tatsächlich ist der Ort auch mehr als 14.000 Kilometer von Moskau entfernt – ein 3000-Seelen-Nest im Hinterland von Byron Bay an der Ostküste Australiens.
Trotzdem schallen an einem Dienstagabend russische Klänge aus dem Veteranenclub des Ortes: „Kalinka, kalinka, kalinka maya, f sadu yagoda malinka, malinka maya...“ Dann ruft eine Männerstimme laut „Spasibo” und spricht schließlich weiter auf Englisch mit russischem Akzent.
Echte Russen gibt es hier im Gemeindehaus in Mullumbimby nicht, auch niemanden der russisch spricht und nur einen, der jemals in Russland war. Und trotzdem stehen hier 28 Männer, die eine Liebe zur russischen Kultur und Musik verbindet. Ihren Chor haben sie „Dustyesky” genannt, in Anlehnung an den russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski – nur dass sich ihr Name aus den englischen Worten „dusty“ („staubig“) und „Esky“ (eine australische Kühlbox) zusammensetzt.
"Ein Drittel von uns kann exzellent singen"
Angefangen hat alles vor fünf Jahren, als Mark Swivel und ein paar Freunde drei russische Lieder auf einem Musikfestival aufführen wollten. „Doch dann hatten wir so viel Spaß, dass wir weitermachen wollten“, erzählt der Anwalt. Immer mehr Männer schlossen sich an, der Jüngste Ende 30, der Älteste in seinen 60ern: Handwerker, Lehrer, ein Arzt, ein Musiker, ein Architekt, ein Buchhalter, ein Toningenieur, Rentner und ein Barista sind darunter. „Ein Drittel von uns kann exzellent singen, ein Drittel kann zumindest die Melodie halten und ein Drittel sind einfach nette Kerle, mit denen man gern auf ein Bier geht“, lacht Swivel.
Die Lieder, die sie singen, sind voller Gefühle: „Voll Verzweiflung und Leiden – aber auch solche, die das Herz mit Freude füllen.“ Im Repertoire sind romantische Volkslieder, Märsche der Roten Armee oder russisch-orthodoxe Kirchenhymnen. Die Worte verstehen die Australier nicht immer, doch sie bemühen sich zu begreifen, um was es in den Liedern geht. Dabei würden sich stets so fühlen, als ob man die Lieder einfach singen müsse, sagt Swivel. „Sie packen dich einfach – es ist, als wenn du von einer Welle erfasst und zum Ufer geschleudert wirst.“
Trotz der ernsthaften Liebe zur Musik erlauben sich die Australier auch den einen oder anderen Spaß. Häufig würden sie sich beispielsweise über den russischen Präsidenten Putin lustig machen, gesteht der Australier und lacht.
Mit Butter einschmieren
„Wir haben ihn nach Mullumbimby eingeladen – zum Trinken, Tanzen und um sich nackt mit Macadamia-Butter einzuschmieren.“ Trotz des Klamauks reagieren echte Russen positiv und oftmals gerührt auf die Männer aus dem australischen Hinterland. Der russische Botschafter hat ihnen bereits zugehört und heftig applaudiert und nach einem Artikel in einer australisch-russischen Zeitung berichteten sogar mehrere Fernsehsender in Russland über die engagierten Sänger.
Auch in den Kommentarspalten ihrer Youtube-Videos singen russische Fans Lobeshymnen auf die Australier: „Das ist wundervoll, leidenschaftlich und überraschend authentisch“, schrieb beispielsweise Tatiana Grehan als Kommentar und dankte den Männern, soviel für die russische Kultur und die russische Seele zu tun.
Obwohl die Männer heute mehr Erfolg haben, als sie sich in ihren Anfängen je ausmalen hätten können und schon in ganz Australien aufgetreten sind, geht es ihnen überhaupt nicht um den kommerziellen Erfolg. „Es ist eher so wie das beste Fußballteam, in dem du je mitgespielt hast“, versucht Swivel die Freundschaft zu beschreiben, die diese Männer inzwischen verbindet.