Knapp ein Jahr nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Deutschen in der ostdeutschen Stadt Chemnitz ist ein 24 Jahre alter Angeklagter zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Das Landgericht Chemnitz sprach den 24-jährigen Alaa S. am Donnerstag in Dresden wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Bundesgerichtshof angefochten werden.
Nach 19 Verhandlungstagen war die Kammer davon überzeugt, dass der Syrer am 26. August 2018 in Chemnitz gemeinsam mit einem flüchtigen Iraker den 35-jährigen Daniel H. erstochen hat. Der mutmaßliche Mittäter ist weltweit zur Fahndung ausgeschrieben.
Die Staatsanwaltschaft hatte am Montag in ihrem Plädoyer eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren für den Angeklagten wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung gefordert. Die drei Vertreter der Nebenklage gingen am Donnerstag in ihren Plädoyers über diesen Antrag hinaus und forderten eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren.
"Das ist kein normales Verfahren"
Die Verteidigung argumentierte hingegen, es gebe keine Beweise, dass Alaa S. die Tat tatsächlich begangen hatte. "Für uns ist das mitnichten ein normales Verfahren", sagte Anwalt Frank Wilhelm Drücke. Er appellierte an die Kammer des Landgerichts, sich bei der Urteilsfindung nicht von Forderungen aus Politik, Gesellschaft oder von einem "marodierenden Mob" beeinflussen zu lassen.
In der Folge der Messerattacke war es im Vorjahr in der Stadt zu rassistisch motivierten Übergriffen und Demonstrationen mit rechtsextremen Äußerungen gekommen, die mehr als das Verbrechen selbst die internationale Aufmerksamkeit auf Chemnitz lenkten.
Der Streit um die Frage, ob es im Zuge dieser Übergriffe "Hetzjagden" auf Migranten gegeben habe, wurde auf deutscher Bundesebene zur Zerreißprobe für die Große Koalition aus Union und SPD - und führte letztlich dazu, dass der damalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, seinen Posten verlor.