Frauen in Saudi-Arabien brauchen für Auslandsreisen nicht länger die Erlaubnis eines männlichen Vormunds. Frauen ab 21 Jahren können seit Dienstag Anträge für die Ausstellung oder Erneuerung eines Reisepasses einreichen und damit "ohne Erlaubnis" ins Ausland verreisen, wie die saudi-arabische Passbehörde im Online-Dienst Twitter mitteilte.

Historische Reform

Damit setzen die Behörden des erzkonservativen Königreichs eine historische Reform um, die Anfang August beschlossen worden war. Das saudi-arabische Vormundschaftssystem wurde international seit langem scharf kritisiert und auch in Saudi-Arabien selbst regte sich zuletzt zunehmend Widerstand. Die Anfang des Monats verkündeten Gesetzesänderungen sehen außerdem vor, dass Frauen künftig die Geburt eines Kindes, eine Hochzeit oder eine Scheidung anmelden dürfen. Sie können auch die Vormundschaft für ein minderjähriges Kind übernehmen.

In den vergangenen Monaten hatten mehrere junge Frauen, die vor Bevormundung und Gewalt aus Saudi-Arabien flüchteten, weltweit für Aufsehen gesorgt. Im Jänner wurde die 18-jährige Rahaf al-Qunun auf der Flucht vor ihrer Familie in Bangkok gestoppt. Sie erhielt schließlich Asyl in Kanada. Im Februar wurde der Fall der Schwestern Reem und Rawan bekannt, die auf der Flucht vor ihrer Familie in Hongkong gestrandet waren. Sie durften schließlich in ein unbekanntes Drittland ausreisen. Im April flüchtete ein weiteres Schwesternpaar nach Georgien.

In den vergangenen Jahren hatte Saudi-Arabien unter Kronprinz Mohammed bin Salman damit begonnen, die sehr strikten Regeln für Frauen zu lockern. So dürfen Frauen seit Juni 2018 Auto fahren - ein besonders symbolträchtiger Schritt, denn bis dahin war Saudi-Arabien das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht selbst fahren durften. Frauen wurde auch erlaubt, Fußballspielen beizuwohnen und Berufe zu ergreifen, die bis dahin Männern vorbehalten waren.

Diese Liberalisierung hat zwar das Leben vieler Frauen verbessert. Von einer Gleichberechtigung der Geschlechter ist das muslimische Land aber noch weit entfernt. Kritiker sprechen von lediglich kosmetischen Reformen und fordern, das Vormundschaftssystem komplett abzuschaffen.