Wer schon einmal Island bereiste (und auch Wege fern gut ausgetretener Touristenpfade fand), weiß, wie entrückend schön die Landschaft auf der 103.000-km²-Vulkaninsel ist. Europas nordwestlichster Außenposten wirkt größtenteils wie die Kulisse für einen Fantasyfilm. Berühmt wurde Island für seine Gletscher und spektakulären Küsten, Geysire und Wasserfälle – gewiss aber nicht wegen ausgedehnter Waldflächen.
95 Prozent der Landfläche ohne Wald
Nur noch 0,5 Prozent der Insel sind bewaldet – das soll sich nun schrittweise und zumindest mittelfristig ändern: Die isländische Regierung gab dem nationalen Forstdienst den Auftrag, großflächig aufzuforsten.Seit 2015 wurden über drei Millionen Bäume gepflanzt, was etwa einer Fläche von 1000 Hektar entspricht. Und: Die Anstrengungen, der 357.000-Einwohner-Insel mit neuen Waldpflanzungen ein grünes Antlitz zu geben, werden nun intensiviert.
Thröstur Eysteinsson, der Direktor des staatlichen Forstdienstes, umreißt im Interview mit der Kleinen Zeitung die Pläne: In den nächsten vier bis fünf Jahren sollen etwa zwölf Millionen weitere Setzlinge gepflanzt werden. Die neuen Waldflächen sollen mit einem klugen Mix den Anforderungen einer Welt im Klimawandel angepasst sein: "Moor-Birke, Küsten-Kiefer, Sibirische Lärche, Sitka-Fichte und westliche Balsam-Pappel sind die Bäume, auf die wir jetzt setzen", erläutert Eysteinsson.
Die isländische Regierung will damit auch ihren Beitrag im Kampf gegen den drohenden Klimakollaps leisten. Die Aufforstung gilt als eine der Prioritäten zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes. Eysteinssons Stellvertreter Adalsteinn Sigurgeirsson: "Die Birke ist nicht sehr produktiv. Wenn man etwa eine rasche Kohlenstoffbindung anstrebt oder Holz gewinnen will, brauchen wir mehr als Monokulturen mit einer heimischen Art."
Klar ist: Ein Baum hat es in Island alles andere als einfach – da hilft auch Elfenkraft, an die viele Einheimische glauben, nicht: Das ozeanische Klima ist so weit im Norden rau, einigermaßen gemildert nur durch den Golfstrom. Zudem bekommt der an sich mäßig fruchtbare Boden von aktiven Vulkanen immer wieder Lava und Asche ab. Dass die Vegetation so spärlich ist, lässt wiederum den Untergrund massiv erodieren – und kein Wasser lange halten. Am Ende blickt man vielerorts auf eine Mondlandschaft.
Der eklatante Waldmangel ist historisch schnell erklärt: Als die Wikinger Island erreichten, dürfte die Insel noch – relativ – grün gewesen sein. Alte Chroniken wie das Íslendingabók ("Isländerbuch") berichten gar von Wald von der Küste bis in die Berge. Noch zur Zeit der Landnahme könnten etwa 20 Prozent der Insel bewaldet gewesen sein. Dann kam der große Kahlschlag: In bloß hundert Jahren holzten Siedler ungeniert 97 Prozent der heimischen Birken ab, um Holz zum Bauen und Platz für Weideflächen zu haben. Als nichts mehr da war, sammelte man Treibholz. Die Effekte waren verheerend: Heute sind gerade noch 0,5 Prozent der Landfläche das ist weltweiter Negativrekord.
(Noch) nicht genug Geld
Die Wiederaufforstung läuft auf Flächen im Staatseigentum, aber auch auf privatem Grund. Eysteinsson betont, dass es Bemühungen in diese Richtungen bereits seit den 1950er-Jahren gibt. Ein Problem, das ein so elementares Unterfangen begleitet, sind natürlich die finanziellen Mittel: "Erst seit heuer fließen mehr Gelder – und selbst das, was wir nun bekommen, ist begrenzt. Wir müssen Baumschulen aufbauen, Personal dafür bezahlen und Zäune aufstellen, damit sich nicht die Schafe über unsere Setzlinge hermachen", bilanziert der Experte.
Mit nordischer Entschlossenheit ergänzt er: "Das sind Herausforderungen, keine Probleme!" Nach dem Zeitplan für das große Aufforsten gefragt, sagt Eysteinsson: "Hoffentlich läuft das für immer. Sprechen wir nicht von Projekten, sondern von einem Systemwandel. Die Unterstützung unserer Bevölkerung haben wir jedenfalls."