Erst wenige Tage ist es her, dass US-Präsident Donald Trump eine neue Gefahr für Amerika ausmachte: "Spinner", die durch die Gegend zögen und andere Menschen mit Baseballschlägern verprügelten. Gemeint war die Antifa, Trump teilte auf Twitter mit, er erwäge, die linksradikalen Antifaschisten zur Terrororganisation erklären zu lassen.

Nicht erst seit den Massakern vom Wochenende in El Paso und Dayton meinen Kritiker, dass die wahre Gefahr für Amerika aus einer ganz anderen Richtung kommt: Von sogenannten White Supremacists, also von weißen Rechtsextremisten - und dass Trump deren Geisteshaltung mit seiner Rhetorik befeuert.

Die Hintergründe der Tat von Dayton, wo ein 24-Jähriger in der Nacht zu Sonntag neun Menschen tötete, sind noch unklar - der Täter wurde erschossen. Beim Schützen von El Paso, der am Samstag 20 Menschen in einem Einkaufszentrum nahe der Grenze zu Mexiko ermordete und sich dann der Polizei ergab, prüfen die Behörden einen rassistischen Hintergrund. Sie stufen die Tat als inländischen Terrorismus ein. Der Sender ABC berichtete, der Mann habe bei seiner Vernehmung ausgesagt, er habe so viele Mexikaner wie möglich töten wollen - mehrere von ihnen sind unter den Opfern.

Der mutmaßliche Täter von El Paso ist ein 21 Jahre alter Weißer. Ihm wird ein Pamphlet zugeschrieben, das kurz vor der Tat im Internet veröffentlicht wurde - noch wird geprüft, ob es tatsächlich von ihm stammt. In der vierseitigen Kampfschrift äußert der Autor seine Unterstützung für den rassistischen Attentäter von Christchurch, der im März in Neuseeland zwei Moscheen angegriffen und 51 Menschen getötet hatte. Außerdem heißt es in dem hasserfüllten Text: "Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas."

Die Sprache von Donald Trump

Das ist die Sprache von Donald Trump, der die illegale Einwanderung von Lateinamerikanern in die USA regelmäßig als "Invasion" bezeichnet - und der Migranten immer wieder mit kriminellen Bandenmitgliedern gleichsetzt. Manche kriminelle Einwanderer, sagte Trump im Mai vergangenen Jahres, seien "keine Menschen. Das sind Tiere." Trump bemüht immer wieder eine Rhetorik, die hart am rechten Rand spielt - etwa dann, wenn er demokratische Abgeordnete dazu auffordert, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzukehren.

Trump mag dabei noch so oft betonen, er sei kein Rassist - viele Amerikaner sehen das anders. In einer Ende Juli veröffentlichten Umfrage der Universität Quinnipiac sagten 51 Prozent, der Präsident sei ein Rassist - 45 Prozent teilten diese Meinung nicht. 80 Prozent der schwarzen Wähler bescheinigten dem Präsidenten Rassismus, unter hispanischen Wählern waren es 55 Prozent.

Kritiker werfen Trump vor, sich nicht gegen weißen Rechtsextremismus zu positionieren oder ihn sogar zu verharmlosen. Immer wieder betont Trump dagegen die Gefahr, die vom islamistischem Terrorismus ausgeht. Die "New York Times" kommentierte, wären die Taten von El Paso und Dayton von muslimischen Extremisten verübt worden, würde der Staat mit seiner gesamten Macht gegen deren Netzwerke und Unterstützer vorgehen. "Die Welt, und besonders der Westen, hat ein ernsthaftes Problem mit weißen nationalistischen Terroristen, das viel zu lange ignoriert oder entschuldigt worden ist."

Weiße Nationalisten als wachsendes Problem?

Trump sah das zumindest bisher nicht so. Nach dem Attentat in Neuseeland im März fragte ein Journalist den Präsidenten, ob weiße Nationalisten ein wachsendes Problem auf der Welt darstellten. Trump verneinte das. "Ich denke, es ist eine kleine Gruppe von Menschen, die sehr, sehr ernste Probleme haben", sagte er.

Wie klein die Gruppe ist, ist unklar. Klar ist aber nicht erst seit El Paso, dass die hasserfüllte Ideologie potenziell tödliche Folgen hat. Die "New York Times" listete nach den jüngsten Massakern seit 2017 mindestens acht Fälle in den USA auf, bei denen Schützen mit einem mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund Menschen ermordeten. "Weiße extremistische Angreifer haben das Feuer in Schulen, in Synagogen und in Geschäften eröffnet", schrieb das Blatt.

8Chan

Ins Visier geraten ist in dem Zusammenhang auch das Online-Forum 8Chan. Gründer Fredrick Brennan setzte 8Chan (die "8" steht für das Unendlichkeits-Symbol) 2013 als eine Neuauflage des zuvor ebenso ungezügelten Online-Forums 4Chan fort, das damals erste Grenzen für Inhalte einzog. Ihm schwebte eine Plattform vor, wo jegliche - legale - Ansichten willkommen wären, unabhängig davon, wie "toxisch" sie wären, erzählte Brennan der "New York Times".

Am Ende wurde 8Chan zum Sammelbecken für Ansichten, für die man bei anderen Plattformen verbannt wird: Hass, Hetze, Rassismus, Antisemitismus, Schwulenfeindlichkeit. Brennan gab die Kontrolle über 8Chan bereits 2015 auf und distanzierte sich davon. "Macht die Website dicht. Sie bringt der Welt nichts Gutes", sagte er.

Inzwischen wird 8Chan von den Philippinen aus vom Amerikaner Jim Watkins betrieben. Er selbst sei kein Anhänger der These von der Überlegenheit der weißen Rasse, sagte Watkins 2016 der Website "Splinter". Aber er habe auch kein Problem damit, dass diese Leute auf 8Chan präsent seien. "Sie haben Gründe für ihre Überzeugungen. Ich muss diese Überzeugungen nicht rechtfertigen."

Angriff als Verteidigung

Trump wehrte sich am Montag mit seiner üblichen Taktik gegen die wachsende Kritik an seiner Person: Angriff ist die beste Verteidigung. Er gab den "Fake News"-Medien eine Mitverantwortung für "den Zorn und die Wut" im Land - also jenen Medien, die kritisch über ihn und seine Politik berichten. Besonders perfide: Der Präsident - der strikt gegen eine Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz ist - sprach sich zwar für schärfere Hintergrundkontrollen bei Menschen aus, die Waffen kaufen. Er forderte aber zugleich, ein entsprechendes Gesetz mit einer Reform der Migrationsgesetze zu verknüpfen.

Klare Worte fand Trumps Tochter und Beraterin Ivanka Trump: "White Supremacy, wie alle anderen Formen des Terrorismus, ist ein Übel, das zerstört werden muss", schrieb sie auf Twitter. Und der Sheriff von El Paso, Richard Wiles, machte keinen Hehl aus seiner Verbitterung. "El Paso wird niemals wieder derselbe Ort sein, weil ein Rassist in unsere Stadt gekommen ist, um zu versuchen, seine Ansicht durchzusetzen", schrieb er auf Facebook. "Es ist an der Zeit, sich zu erheben und unsere Abgeordneten auf allen Ebenen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich will Abgeordnete, die sich gegen Rassismus stellen."