Ethiker aus Österreich und Deutschland sind gegen eine pauschale Ablehnung der Forschung zu Mensch-Tier-Mischwesen, die die japanische Regierung am gestrigen Mittwoch genehmigt hat. Die Entwicklung müsse aber wachsam beobachtet werden. Barbara Prainsack von der Uni Wien plädiert dafür, das Problem der Organknappheit politisch anzugehen, bevor man derart "gravierendere Maßnahmen" ergreift.

Prainsack plädierte auch dafür, dass sich Menschen für Organspenden nach ihrem Tod nicht extra registrieren müssen, sondern wie schon jetzt in Österreich grundsätzlich jeder, der nicht explizit widerspricht, Spender werden kann. "Es gibt vieles, was man tun kann, bevor man den Schritt tut und sagt: Ich experimentiere mit Tieren herum", so die Politikwissenschafterin, die auch in der österreichischen Bioethikkommission sitzt.

Klassisches Tabu

Sie hat zwar keine prinzipiellen Bedenken gegen die Forschung des japanischen Biomediziners Hiromitsu Nakauchi, damit werde allerdings ein klassisches Tabu unserer Gesellschaft gebrochen. "Hier wird die Trennung zwischen Mensch und Tier aufgehoben, darauf sind wir nicht vorbereitet." Weder Recht noch Ethik sei auf ein solches Wesen eingestellt. Und dass mit der Züchtung von menschlichen Organen in Tieren bereits ein solches Zwischenwesen entsteht, steht für Prainsack außer Frage. Man könne das Einsetzen der induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) nicht isoliert sehen, es werde durch einen solchen Eingriff  immer der gesamte Organismus beeinflusst.

Dass die Forscher die Experimente laut Ankündigung abbrechen wollen, wenn im Gehirn mehr als 30 Prozent menschlicher Zellen entdeckt werden sollten, ist für Prainsack deshalb auch nicht nachvollziehbar. Immerhin bräuchte es dafür eine verlässliche Methode, um jede einzelne Chimäre zu überwachen. Ihr fehlt auch eine Basis für die 30-Prozent-Grenze. "Wir kommen da in einen sehr gefährlichen Bereich hinein, wo man willkürliche Grenzen zieht, ohne dass es dazu eine gesellschaftliche oder demokratische Debatte gibt."

"Grenze überschritten"

Der Bioethiker Ulrich Körtner von der Uni Wien äußert auf science.orf.at ebenfalls keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Experimente, "weil es sich bei diesen Mensch-Tier-Hybriden nicht um werdende Menschen mit Menschenwürde handelt". Sollten allerdings im Lauf der Embryonalentwicklung menschliche Zellen in das Gehirn des Mischwesens eindringen und dieses menschliche Eigenschaften entwickeln, wäre für ihn "eine ethisch zulässige Grenze überschritten". Auch er sieht außerdem eine Reihe von tierethischen Fragen.

Auch deutsche Ethiker warnen davor, dass im Zuge der Experimente menschliche Zellen in die Gehirne der Tiere eindringen könnten. Für die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, sind die Pläne dennoch keine Grenzüberschreitung. Voraussetzung sei, dass keine Fähigkeiten im Tier entstünden, die sonst nur bei Menschen vorkämen, sagte sie im Deutschlandfunk. "Wenn wir plötzlich ein Schwein haben, das Goethe-Gedichte zitiert, dann wäre natürlich eindeutig eine ethische Grenze überschritten."

Auch für den Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, sind die Versuche prinzipiell gerechtfertigt. Immerhin sei die Linderung menschlichen Leids ein hochrangiges Forschungsziel, sagte er im ZDF. Er fordert allerdings eine Diskussion darüber, wie weit man Tiere für die Gewinnung menschlicher Organe für sterbenskranke Menschen leiden lassen bzw. diese töten dürfe.

Generelle Vorbehalte äußerte in der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur der katholische Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl. Er bezweifelt, dass sich Veränderungen des Tierembryos durch menschliche Stammzellen so begrenzen lassen wie von den Forschern geplant. Für ihn würde die Grenze zwischen Mensch und Tier "in unzulässiger Weise porös". Der deutsche Molekularmediziner Eckard Wolf hält die Versuche der Japaner aber für ohnehin nicht aussichtsreich.

Das Forscherteam um Hiromitsu Nakauchi von der Universität Tokio will zunächst in Embryos von Mäusen iPS-Zellen von Menschen einpflanzen. Diese genmanipulierten Embryos können selbst keine eigene Bauchspeicheldrüse entwickeln. Die Forscher wollen in der Folge herausfinden, ob in den heranwachsenden Föten dann Bauchspeicheldrüsengewebe aus den menschlichen Stammzellen entsteht und auch, ob sich die Stammzellen woanders im Körper der Mäuse verbreiten. Das Team will iPS-Zellen zudem in weiteren Versuchen auch in Embryos von Affen und Schweinen einpflanzen, diese aber früh töten. Ziel ist es, eines Tages Menschen zu helfen, die bisher vergeblich auf ein Organ warten.