Eine Kugel in den Kopf, abgefeuert aus nächster Nähe, beendete in der Nacht auf den 2. Juni das Leben von Walter Lübcke. Warum der CDU-Regierungspräsident der hessischen Stadt Kassel auf seiner Terrasse erschossen wurde, wird noch untersucht. Es dürfte aber keinen Zweifel daran geben, dass Lübcke Opfer eines politisch motivierten Mordes wurde. Die Bundesanwaltschaft stufte die Tat als „politisches Attentat“ ein. Denn dass der Regionalpolitiker sich wiederholt für eine humanitäre und christliche Flüchtlingspolitik eingesetzt hatte, ist bekannt.

Sein mutmaßlicher Mörder, der tatverdächtige Stephan E., ist ebenfalls kein Unbekannter. Er ist den Behörden schon seit Ende der 1980er bekannt. Im November 1992 stach er einen Mann aus dem Ausland nieder, der nur knapp überlebte. Im Jahr darauf legte E. eine Rohrbombe in einer Asylunterkunft, die glücklicherweise nicht detonierte. Selbst im Gefängnis verletzte er einen Häftling. Zudem soll er Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppen gehabt haben. Dies zeigt sich auch in der Vermutung, E. habe nicht alleine gehandelt. Hinweise auf Mittäter oder Mitwisser verdichten sich.

Zuletzt war es relativ ruhig um Stephan E., ehe er in Lübcke ein neues Ziel ausmachte. Das begann schon im Oktober 2015, als der CDU-Politiker bei einer Bürgerversammlung zu einem Asylzentrum in Lohfeld bei Kassel Kritiker wissen ließ, es sei jedem freigestellt Deutschland zu verlassen, der mit einer auf christlicher Nächstenliebe beruhenden Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sei. Morddrohungen im Internet waren die Folge. Nun, Jahre später, wurden sie Realität.

Behörden in der Kritik

Deutschland war immer wieder Bühne für ideologisch verbrämte Gewalttaten. Lebendig sind die Erinnerungen an den blutigen Feldzug der linksextremen Roten Armee Fraktion (RAF), der 33 Todesopfer forderte. Erst vor anderthalb Jahren wurden die Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gerichtlich aufgearbeitet. Dem NSU werden zwischen 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt, an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern und einer Polizistin.

Den deutschen Behörden wurden in diesem Zusammenhang mehrfach Versäumnisse vorgeworfen. Dass der deutsche Staat auf dem rechten Auge blind sei, sollten die Abschlussberichte der NSU-U-Ausschüsse widerlegen, die Anfang Juni präsentiert wurden. Auch wenn darin "kein Staatsversagen" attestiert wird, halten vor allem Linke und Grüne an ihrer Kritik fest: In Brandenburg etwa sei eine "Ergreifung des NSU-Trios" durch Fehler beim Verfassungsschutz "zumindest erschwert worden."

Daten und Fakten

Eindeutiger fällt der Befund des deutschen Innenministeriums aus, wonach sich politisch motivierte Gewalttaten in der letzten Dekade tendenziell häufen, auch wenn rechte wie linke Gewalt bei unseren deutschen Nachbarn zuletzt abgenommen hat. Bei Gewaltdelikten wurden im Jahr 2016 1600 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund festgestellt und 1054 im Jahr 2017. Bei den Linksextremisten waren es 1201 Straftaten im Jahr 2016 und 1648 im Jahr 2017.

Wobei erwähnt sein muss, dass es sich bei den linksextremistischen Gewalttaten häufig um Landfriedensbruch handelt. Lässt man dieses Delikt weg, dann ergibt sich ein klares Übergewicht der Rechtsextremisten. Ausländische Ideologien und religiös motivierte Taten sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Auch diese nehmen mittelfristig zu.