Die schwedische Justiz nimmt ihre Ermittlungen gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung wieder auf. "Es gibt immer noch Grund zur Annahme, dass sich Assange der Vergewaltigung schuldig gemacht hat", sagte die stellvertretende Direktorin der Staatsanwaltschaft, Eva-Marie Persson, am Montag in Stockholm.
WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson erklärte, die Wiederaufnahme des Verfahrens werde es Assange ermöglichen, seine Unschuld zu beweisen. Nach Assanges Festnahme in London sei es nun möglich, per europäischem Haftbefehl seine Auslieferung nach Schweden zu beantragen, sagte Persson. Assange könne hoffentlich bald zu den Vorwürfen befragt und vor Ablauf der Verjährungsfrist im August 2020 zur Rechenschaft gezogen werden.
Assange war im Jahr 2010 in Schweden von zwei Frauen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angezeigt worden. Das Verfahren wegen sexueller Nötigung wurde 2015 wegen Verjährung eingestellt. Im zweiten Fall legte die Stockholmer Staatsanwaltschaft 2017 die Ermittlungen zu den Akten, weil der damals in London im Botschaftsexil lebende Assange für sie nicht erreichbar war.
Die damalige Entscheidung "basierte nicht auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Beweisen, sondern auf Schwierigkeiten, die die Ermittlungen behinderten", sagte Persson.
Im Schlaf vergewaltigt
Nach der Festnahme Assanges in London hatte die schwedische Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens gefordert. Sie wirft Assange vor, sie im Schlaf ohne Kondom vergewaltigt zu haben, obwohl sie zuvor wiederholt ungeschützten Sex mit ihm verweigert habe.
Bei einem Verhör in der Botschaft von Ecuador sagte Assange Ende 2016, es habe sich um "einvernehmlichen" Geschlechtsverkehr gehandelt. Geführt wurde das Verhör von einem ecuadorianischen Staatsanwalt, der die Fragen von der dabei anwesenden zuständigen schwedischen Ermittlerin bekam. In Schweden gilt ein wesentlich weiter gefasster Vergewaltigungsbegriff.
Der heute 47 Jahre alte Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks hat die Vorwürfe stets bestritten. Er bezeichnete sie als Vorwand, um ihn schließlich an die Vereinigten Staaten ausliefern zu können.
Dort ist der Australier wegen der von WikiLeaks veröffentlichten US-Dokumente wegen "Verschwörung" angeklagt und könnte bei einem Schuldspruch für fünf Jahre ins Gefängnis geschickt werden. Die 2010 veröffentlichten Dokumente enthielten hochbrisante Informationen über die US-Einsätze im Irak, über die Tötung von Zivilisten und Misshandlung von Gefangenen.
Um sich einer Auslieferung an Schweden zu entziehen, wo er vor Gericht gestellt werden sollte, floh Assange 2012 in die Botschaft Ecuadors in London. Nachdem Ecuador Assange sieben Jahre später das politische Asyl entzogen hatte, wurde er am 11. April in London festgenommen.
Anfang Mai wurde er dann von einembritischen Gericht zu 50 Wochen Gefängnis verurteilt, weil er mit seiner Flucht in die Botschaft gegen die Auflagen seiner Kaution verstoßen und sich der britischen Justiz entzogen hatte.
WikiLeaks-Chefredakteur Hrafnsson erklärte, Assange habe sich nie der schwedischen Justiz entziehen wollen. Vermutlich habe es "einen beträchtlichen politischen Druck" gegeben, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.
Die US-Regierung hat einen Auslieferungsantrag gestellt, gegen den der Wikileaks-Gründer ankämpfen will. Sollte Schweden ebenfalls eine Auslieferung des Australiers beantragen, müsste die britische Justiz entscheiden, welchem Auslieferungsantrag sie Vorrang einräumt.
Die Generalstaatsanwaltschaft von Ecuador stimmte indes laut Medienberichten einer Durchsuchung des Zimmers des WikiLeaks-Gründers Julian Assange in der Londoner Botschaft des lateinamerikanischen Landes zu. Dokumente, Mobiltelefone, Computer und Datenträger des Netzaktivisten sollen an die USA weitergegeben werden, berichtete die spanische Tageszeitung "El País" am Montag unter Berufung auf ein Dokument, das der Zeitung vorlag. Demnach soll der versiegelte Raum am 20. Mai durchsucht werden. Die Entscheidung sei Assanges ecuadorianischem Anwalt Carlos Poveda bereits mitgeteilt worden.