Es ist eigentlich eine kuriose Situation: Der Bodensee ist eine von wenigen Regionen in Europa, in der die Grenzen zwischen den Anliegerstaaten nicht überall eindeutig festgelegt sind. "Nach meinem Eindruck gab es keinen wirklich zwingenden Grund, die Frage zu regeln", sagt Marten Breuer, Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit internationaler Ausrichtung der Universität Konstanz. (10 Dinge, die man am Bodensee nicht versäumen darf)
Zwar sei in der Vergangenheit eine Reihe vom Verträgen geschlossen worden, zum Beispiel zur Bodenseeschifffahrt. Aber die Frage des Grenzverlaufs sei explizit ausgeklammert worden. "Das heißt, man ist bislang offenbar auch ohne Festlegung des Grenzverlaufs ganz gut klar gekommen", so Breuer.
"Das ist völkerrechtlich niemals wirklich geklärt worden", sagt auch Polizeihauptkommissar Michael Behrendt von der Wasserschutzpolizei. Allerdings gebe es zwei unstrittige Grenzziehungen: So seien der Untersee - also der kleinere der beiden Seen des Bodensees - und der sogenannte Konstanzer Trichter real geteilt. Das bedeutet, die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz verläuft dort genau in der Mitte. Auch im flachen Wasser scheint die Lage übersichtlich: Die Halde, also der Uferbereich bis zu einer Wassertiefe von 25 Metern, gehört laut Behrendt zum jeweiligen Anrainerstaat.
Hoheitsverhältnisse nicht geklärt
Etwas komplizierter ist die Situation im tiefen Wasser des Obersees - also dem Hohen See. Die Hoheitsverhältnisse sind nie endgültig festgelegt worden, wie Jurist Breuer erklärt. Nach seinem Kenntnisstand gehe die deutsche Bundesregierung davon aus, dass die Frage des Grenzverlaufs ungeklärt ist. Von Österreich sei dagegen die Kondominialtheorie vertreten worden, wonach der Hohe See gemeinsames Eigentum der Anrainerstaaten ist. Die Schweiz wiederum sei lange Zeit Anhänger der Realteilungsthese gewesen, hier gebe es aber mittlerweile auch abweichende Positionen.
Aber warum kam es nie zu einer eindeutigen Klärung? "Weil es gut klappt ohne Regelung. Nur in den Bereichen, in denen es einen Nutzungsdruck gab, hat man nach und nach Vereinbarungen getroffen", sagt Harald Hetzenauer, Vorsitzender des Sachverständigenkreises der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB). Die 1959 gegründete Organisation kümmert sich um den ganzheitlichen Zustand des Sees und empfiehlt den Mitgliedsländern Maßnahmen, um das Ökosystem intakt zu halten. "Da die Grenzen am - oder besser im - Bodensee nie exakt festgelegt wurden, ist es für den See besonders wichtig, dass die Anrainerstaaten gut und effektiv zusammenarbeiten", heißt es auf der Homepage der Kommission.
Fischer müssen Patent kaufen
So gibt es etwa Vereinbarungen in der Fischerei. "Jeder Berufsfischer muss ein Patent kaufen", sagt Roland Rösch vom Landwirtschaftsministerium in Stuttgart. Die Patente regeln beispielsweise, ob jemand nur in der Halde oder im gesamten offenen See fischen darf. Eine Quote gebe es dabei nicht: "Solange der Fisch sich in freiem Wasser aufhält, ist er herrenlos", sagt Rösch. "Wer ihn fängt, darf ihn behalten." Allerdings gebe es Regelungen zu Schonzeiten, ebenso wie zur Anzahl der Netze und zu deren Maschenbreite.
Auch bei der Nutzung des Bodensees als Trinkwasser-Reservoir gibt es klare Regeln: 1966 vereinbarten Deutschland, Österreich und die Schweiz unter anderem, dass sich die Anliegerstaaten abstimmen müssen, wenn mehr als 750 Liter Wasser pro Sekunde entnommen werden und dieses auch außerhalb des Wasser-Einzugsgebietes des Bodensees genutzt wird. Beides ist bei der Bodensee-Wasserversorgung der Fall - der Zweckverband mit Sitz in Stuttgart hat heute ein Entnahmerecht von 670.000 Kubikmetern Wasser pro Tag, das mit den anderen Anrainerstaaten vereinbart wurde.
Die Wasserschutzpolizeien arbeiten auf dem Bodensee eng zusammen. Für die Schifffahrt seien die Vollzugsbereiche klar geregelt, sagt Hauptkommissar Behrendt. "Da ist zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz genau festgelegt, wer welche Kompetenzen hat." Ein bisschen komplizierter wird es, wenn es um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Schiffen geht. Eigentlich ist dann das Land zuständig, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Aber was, wenn zum Beispiel ein Schweizer eine Straftat auf einem Schiff mit österreichischer Flagge in deutschem Vollzugsbereich begeht? "Dann wird das pragmatisch gelöst", sagt Behrendt. "Deutschland übernimmt die ersten Ermittlungen und gibt dann nach Österreich ab."
Im Katastrophenfall
Bei Katastrophen oder Seenotfällen ist wiederum jenes Land federführend, bei dem der Alarm eingeht. "Es wird also niemals der Fall eintreten, dass man nicht weiß, wer zuständig ist", sagt Behrendt. "Der Bodensee ist ein Idealbild für die Zusammenarbeit in Europa." Da es keine übergreifende Regelung gebe, sei man automatisch gezwungen, intensiver zu kooperieren. "Und das funktioniert hier sehr gut."
Aber wie ist eigentlich die juristische Lage? Sollten Verbrecher nach ihrer Straftat am besten mit einem Schiff fliehen, um der Verfolgung durch die Polizei zu entgehen? "Besser nicht", sagt Behrendt. Denn dann hat man es gleich mit drei Wasserschutzpolizeien zu tun. "Da gibt es keine Lücke und keinen rechtsfreien Raum."