Ein alter Fischkutter bringt eine Ladung verzweifelter Seelen an den Strand der Hafenstadt Beira in Mosambik: Dutzende Überlebende des Zyklons "Idai" stehen dicht beieinander auf dem rostigen Schiff und hoffen, an Land medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen zu finden. Die Passagiere sind gezeichnet vom Überlebenskampf der vergangenen Tage.
Bangen um Angehörige
Die meisten dieser Menschen haben wegen der vom Zyklon ausgelösten verheerenden Überschwemmungen Angehörige oder Freunde verloren. "Ich hatte sieben Tage lang praktisch nichts zu essen oder zu trinken", sagt Silva Joa Quimba. "Ich stand bis zur Hüfte im Wasser." Der 18-Jährige hatte Glück. Er schaffte es in der südlichen Stadt Buzi auf eines der Rettungsboote. "Meine Mutter ist noch in Buzi. Ich weiß nicht, ob sie noch am Leben ist oder nicht."
Vom Strand bringen Hilfskräfte Quimba in eines der eilig errichteten Auffangzentren in Beira, wo gut 100.000 Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, zumindest notdürftig versorgt werden. Auch andere Bootspassagiere berichten, wie sie inmitten der Fluten rund eine Woche auf Hausdächern, in Baumkronen oder in höheren Gebäuden ausharrten und auf Hilfe warteten. Buzi liegt mitten in einem Gebiet, das Helfer als ein neu entstandenes "Binnenmeer" bezeichnet haben: Auf 125 Kilometern Länge steht infolge des schweren Tropensturms "Idai" im Zentrum Mosambiks meterhoch das Wasser.
Vor den Fluten lebten in dem Gebiet Hunderttausende Menschen. "Entweder sie konnten fliehen, oder es gibt dort eine sehr hohe Opferzahl", berichtet ein Helfer des Welternährungsprogramms (WFP). Der Zyklon "Idai" war am 15. März bei Beira auf Land getroffen. Der Sturm brachte Windböen von bis zu 190 Kilometern pro Stunde, Sturmfluten und schwere Überschwemmungen mit sich. Das Ausmaß der Katastrophe war zunächst nicht gleich ersichtlich gewesen. Doch inzwischen sprechen Helfer von einer der größten humanitären Notlagen weltweit.
Das WFP plant, rund 600.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe zu versorgen. Mosambiks Regierung befürchtet mindestens 1.000 Tote. Rund 400.000 Menschen sollen zeitweise obdachlos geworden sein. Inzwischen droht der Ausbruch von Durchfallkrankheiten wie Typhus und Cholera. Der ORF hat am Montag mit mehreren Hilfsorganisationen eine "Nachbar in Not"-Spendenaktion gestartet.
Ein Rettungsboot brachte auch Cecilia Manhime und ihre beiden kleinen Kinder nach Beira. Als die Überschwemmungen begannen, konnte sie sich in ein Schulgebäude in Buzi retten. "Als das Wasser die Schule erreichte, standen wir erst auf den Sesseln, dann stieg es weiter an und wir retteten und aufs Dach", erinnert sie sich. Sie hatten nichts zu essen, sagt sie. "Ich hatte Angst, dass ich sterben würde."
In Beira ist die Spur der Verwüstung überall zu sehen. Riesige Bäume liegen entwurzelt in den Straßen, Straßenlampen und Strommasten sind eingeknickt wie Kartenhäuser, vielerorts liegen die Reste vom Wind abgedeckter Dächer und Teile zerstörter Häuser. Viele Einwohner Beiras müssen durch hüfttiefe Lacken waten, um zu ihren Häusern zu kommen - oder dahin zu kommen, wo ihre Häuser einst standen.
Die Stadt mit rund 500.000 Einwohnern ist Helfern zufolge weitgehend zerstört. Es gibt keinen elektrischen Strom und kaum sauberes Trinkwasser. Bis Sonntag war Beira wegen der Fluten nur noch aus der Luft erreichbar. Inzwischen ist ein Zufahrtsstraße wieder befahrbar, was den Hilfseinsatz erleichtern wird.
Mosambik war auch zuvor schon von schweren Zyklonen getroffen worden, die viele Menschenleben kosteten und Hunderttausende zeitweise obdachlos machten. Die Wucht des Sturms "Idai", der sich seit Anfang März über dem Indischen Ozean gebildet hatte, übertraf jedoch die bisherigen Zyklone. Das Land gehört einem UN-Index zufolge zu den zehn ärmsten Staaten der Welt. Die Regierung ist mit der Bewältigung der humanitären Katastrophe überfordert. Inzwischen kommt täglich mehr Hilfe im Krisengebiet an, doch vielerorts fehlt es weiter am Allernötigsten. Helfer stellen sich auf einen langen Einsatz ein.
Der Zyklon hatte sich nach dem Eintreffen bei Beira abgeschwächt und war weiter nach Simbabwe gezogen. Dort, und auch im Nachbarland Malawi, kam es ebenfalls zu schweren Überschwemmungen. Nach UN-Angaben sind dort Hunderttausende Menschen betroffen.
Babys zugeworfen
In Mosambik gehörte Travis Trower zu den ersten Helfern, die im Katastrophengebiet eintrafen. Der Südafrikaner seilte sich für die Hilfsorganisation SA Rescue immer wieder aus einem Hubschrauber ab, um Menschen aus den Fluten zu retten. "Wir sahen teilweise nur die Baumkronen aus dem Wasser ragen. Frauen haben uns aus den Bäumen ihre Babys zugeworfen", sagt der 37-Jährige. Bei einem der ersten Einsätze sei das Wasser jedoch so schnell angestiegen, dass die Mission nach der Bergung von 22 Menschen habe abgebrochen werden müssen.
Die Übrigen mussten zurückgelassen werden, berichtet er. "Wir flogen am nächsten Morgen wieder hin, aber sie waren fortgespült worden."