Rund um den Globus werden nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 in Äthiopien Flugverbote verhängt, doch Amerika hält weiter stramm dagegen. Der Druck auf die US-Luftfahrtbehörde FAA wird aber immer größer, Spitzenpolitiker beider großen Parteien und Flugbegleiter fordern inzwischen, dass Boeings Krisenflieger vorerst am Boden bleibt.

Der Hersteller beharrt indes auf der Sicherheit seiner Jets. Konzernchef Dennis Muilenberg sprach einem Medienbericht zufolge direkt mit Präsident Donald Trump, um ein Startverbot für den Flugzeugtyp abzuwenden. In Österreich trat um Mitternacht ein Flugverbot in Kraft. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), der auch Hobbypilot ist, sagte am Dienstagabend: "Ich würde in dieses Flugzeug nicht einsteigen." Wir waren gezwungen, selbst aktiv zu werden." Die Probleme, die sich bei der Software des Typs 737 Max 8 gezeigt hatten, würden "eine echte Gefahr darstellen".

Es besteht der Verdacht, dass die Software beim Start in einer Art und Weise eingreife, die zum Absturz führe, sagte der Verkehrsminister am Dienstag. Das müsse der Flugzeughersteller nun beheben. "Für Boeing ist es ein riesiger Schaden", meinte Hofer. "Ich glaube, es sind derzeit etwa 300 Flugzeuge dieses Typs ausgeliefert, etwa 2.000 in der Pipeline. Also wenn Boeing das nicht schafft, dann ist der Schaden für das Unternehmen wirklich enorm." Der Verkehrsminister, der das Vorgängermodell der 737 Max 8 kennt, glaubt, dass die Problembehebung etwa zwei bis drei Wochen dauern wird. Denn "jetzt greift die Elektronik direkt ein und der Pilot hat keine Chance, das Flugzeug sicher auf den Boden zu bekommen".

Trotz internationaler Flugverbote für Jets vom Typ Boeing 737 Max 8 nach zwei Abstürzen binnen eines knappen halben Jahres sieht die FAA weiter keinen Anlass für eine solche Maßnahme. Bisher hätten die Überprüfungen der Behörde keine "systemischen Leistungsprobleme" bei dem Flugzeugtyp und keine Grundlage für ein Startverbot ergeben, teilte der FAA-Chef Daniel Elwell am Dienstag auf Twitter mit. Auch hätten Luftfahrtbehörden anderer Länder der FAA keine Daten zur Verfügung gestellt, die Maßnahmen erforderlich machten.

Weiter hieß es in der Mitteilung, die "dringende Auswertung" der Daten der am Sonntag abgestürzten Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines dauere an. Sollten sich dabei Hinweise ergeben, die die Flugtauglichkeit der Maschinen infrage stellten, werde die FAA "sofortige und angemessene Maßnahmen" ergreifen. Knapp fünf Monate vor dem Crash in Äthiopien am Sonntag war bereits eine Boeing 737 Max 8 in Indonesien abgestürzt, dabei starben 189 Menschen.

Rufe nach Konsequenzen

Die Rufe nach Konsequenzen der Luftfahrtbehörde nehmen unterdessen zu. Ranghohe Vertreter sowohl der Demokraten als auch der Republikaner sprachen sich für ein Startverbot des betroffenen Flugzeugtyps aus. Alle Flieger sollten am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtauglichkeit geklärt seien, twitterte etwa der republikanische Senator Mitt Romney. Die einflussreichen demokratischen Senatoren Elizabeth Warren, Richard Blumenthal und Dianne Feinstein sowie Spitzenpolitiker Ted Cruz von den Republikanern schlossen sich der Forderung an.

Auch Flugbegleiter in den USA sprachen sich bis zur Klärung der Ursache des Flugzeugabsturzes in Äthiopien, bei dem am Sonntag 157 Menschen getötet wurden, für ein Startverbot für baugleiche Maschinen aus. Die Gewerkschaft APFA, die die über 27.000 Flugbegleiter von American Airlines vertritt, forderte die größte US-Fluggesellschaft zu diesem Schritt auf. Auch die Gewerkschaft der Transportarbeiter (TWU), in der unter anderem die Flugbegleiter von Southwest Airlines organisiert sind, verlangte ein Startverbot.

Telefonat mit Trump

Boeing-Chef Dennis Muilenberg telefonierte US-Medien zufolge mit US-Präsident Trump. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf zwei mit dem Gespräch vertraute Personen, Muilenberg habe bei Trump dafür geworben, kein Startverbot für baugleiche Maschinen in den USA zu verhängen. Auch der Sender CNN vermeldete das Telefonat vom Dienstag, ohne allerdings über Inhalte zu berichten. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

Abgesehen vom Nachbarstaat Kanada stehen die USA mit ihrer Einschätzung, dass die Boeing-Jets flugtauglich sind, mittlerweile ziemlich allein da. In Europa, Australien und weiten Teilen Asiens erteilten Luftfahrtbehörden bereits Flugverbote für alle baugleichen Maschinen. Zahlreiche Airlines legten die Flugzeuge am Dienstag wegen Zweifeln an der Sicherheit der Baureihe ebenfalls zunächst still. Damit ist gut die Hälfte der seit 2017 ausgelieferten rund 350 Flugzeuge aus dem Verkehr gezogen. Es drohen zahlreiche Flugausfälle.

Massives Image- und Kostenproblem

Das stürzt Boeing nicht nur in eine tiefe Imagekrise: Die 737-Max-Serie ist der gefragteste Flugzeugtyp des Airbus-Rivalen. Bei andauernden Problemen mit dem Kassenschlager könnten auch massive Umrüstungskosten und Geschäftseinbußen drohen. Der Aktienkurs des Unternehmens sackte den zweiten Tag in Folge ab. Boeing beharrt indes auf der Verlässlichkeit der in die Kritik geratenen Baureihe. "Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit", teilte der Konzern mit.

Der internationale Flugverkehr wird aus Furcht vor weiteren Zwischenfällen unterdessen zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem am Dienstagnachmittag Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und weitere Staaten eine Sperrung ihres Luftraums für die Boeings angekündigt hatten, zog auch die europäische Luftfahrtbehörde EASA am Abend nach. Das Verbot gelte als "Vorsichtsmaßnahme" für den ganzen europäischen Luftraum für die Typen Boeing 737 Max 8 und Boeing 737 Max 9, erklärte die EASA. Auch Neuseeland und die Vereinigten Arabischen Emirate - ein wichtiges internationales Luftfahrtdrehkreuz - verhängten für Maschinen des Typs Boeing 737 Max ein Flugverbot.