Nach zwei Flugzeugabstürzen innerhalb weniger Monate zieht die Furcht vor weiteren Zwischenfällen mit Boeings jüngsten Jets immer weitere Kreise. Europas Luftfahrtbehörde EASA sperrte laut einem Online-Bericht des Focus den europäischen Luftraum für die Boeing 737 Max 8.
Der südostasiatische Stadtstaat Singapur - eines der wichtigsten Drehkreuze der Luftfahrt weltweit - hatte bereits früher ein Startverbot für die noch relativ neuen Maschinen der Serie Boeing 737 Max erlassen. Wie der Nachbarstaat Singapur hat Malaysia allen Flugzeugen des Typs Boeing 737 Max 8 den Betrieb auf seinem Gebiet verboten. Zudem stellte die Behörde klar, dass keine malaysische Fluggesellschaft eine Boeing 737 Max 8 aktuell nutze.
Auch die britische Luftfahrtbehörde teilte am Dienstag mit, sie habe vorsorglich verfügt, alle kommerziellen Flüge von allen Airlines zu untersagen, die im Vereinigten Königreich landen, starten oder das Land überfliegen.
Neubewertung und Sperre in Österreich
Die Anordnung werde bis auf Weiteres in Kraft sein, hieß es. Die Behörde betonte, sie stehe in engem Kontakt mit der europäischen Luftaufsicht EASA. Derzeit nutzen fünf Maschinen des Typs 737 Max Flugbasen in Großbritannien. Auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) erteilte vorerst kein Startverbot. Die Behörde kündigte für Dienstagabend eine Bewertung der Situation in Aussicht.
Auch in Österreich hat die Boeing 737 nun Flugverbot. Das gab das Verkehrsministerium gegen 16.30 Uhr bekannt. Demnach habe Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) entschieden, Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max bis auf weiteres im österreichischen Luftraum zu "grounden", hieß es in einer Aussendung.
Die Flugsicherheitsbehörde in Australien erklärte ebenfalls, die Maschinen dürften dort vorübergehend nicht mehr starten oder landen. Auch die Entscheidung zahlreicher Airlines, die ihre Maschinen vom Typ Boeing 737 Max 8 aus Sicherheitsgründen vorübergehend stilllegten, widersprach der Haltung der US-Luftfahrtbehörde FAA. Diese erließ kein Startverbot für die Maschinen. "Diese Untersuchung hat gerade erst begonnen, und uns liegen bisher keine Daten vor, um Schlussfolgerungen zu ziehen oder Maßnahmen zu ergreifen", teilte die FAA am Montag (Ortszeit) mit.
Auch die südkoreanische Billigfluggesellschaft Eastar Jet lässt ihre beiden Maschinen des gleichen Typs vorerst auf dem Boden. Die Entscheidung der Airline gab Südkoreas Transportministerium am Dienstag bekannt. Nach Berichten südkoreanischer Medien ist Eastar Jet die einzige Airline des Landes, die diese Flugzeuge derzeit betreibt.
Eastar wolle die Boeing 737 Max 8 solange parken, bis klar sei, dass sie sicher betrieben werden können, wurde der Präsident der Airline vom Ministerium zitiert. Der Betrieb werde ab Mittwoch vorerst eingestellt. Transportminister Kim Jung Ryul habe zuvor das Unternehmen zur Zusammenarbeit bei gründlichen Prüfungen zur Flugsicherheit gebeten. Im Moment gebe es keine ausländischen Fluggesellschaften, die eine Boeing 737 Max 8 in Korea einsetzten, sagte eine Sprecherin der Behörde.
Eastar habe in diesem Jahr vier weitere Boeing 737 Max 8 zu ihrer Flotte hinzufügen wollen, meldete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Auch andere Airlines des Landes einschließlich Korean Air hätten Aufträge über die Lieferung von Flugzeugen dieses Typs unterzeichnet.
Am Sonntag war eine Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines in Äthiopien abgestürzt, 157 Menschen kamen ums Leben, unter ihnen drei Österreicher. Im Oktober waren beim Absturz einer baugleichen Maschine der Fluglinie Lion Air in Indonesien 189 Menschen gestorben.
Situation in Österreich
Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) verwies am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien erneut auf die Zuständigkeit der EASA und meinte, dass in Österreich jedoch konkret immer jedes einzelne Flugzeug gecheckt wird. Im Fall der Boeing 737 Max 8 dürfte es Probleme bei der Software geben, meinte Hofer. Dabei handle es sich jedenfalls um "eine Sache, die schwerwiegend ist" und für Boeing noch "ein großes Problem" werde. Allerdings geht der Minister davon aus, dass der Flugzeughersteller dieses "rasch in den Griff bekommt". Am Dienstagnachmittag hat aber auch Österreich seinen Luftraum für die Boeing 737 gesperrt.
Nach dem Absturz der Lion-Air-Maschine vermuteten Ermittler, dass eine neue Steuerungssoftware der Boeing eine entscheidende Rollegespielt haben könnte. Der Crash in Äthiopien am Sonntag wies gewisse Ähnlichkeiten auf. Boeing versprach einstweilen eine rasche Erweiterung der umstrittenen Steuerungssoftware in den kommenden Wochen. Der Flugzeugbauer habe ein verbessertes Kontrollprogramm entwickelt, um "ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer zu machen", erklärte das Unternehmen. Die Aktien des US-Luft- und Raumfahrtriesen schlossen angesichts der Krise am Montag mit einem Minus von 5,4 Prozent.
Experten auf der Suche nach Klärung
Die FAA teilte mit, sie werde in Bezug auf die Boeings "geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderlich ist". Im vergangenen Jahr habe es zahlreiche technische Prüfungen und Maßnahmen gegeben, die infolge des Absturzes in Indonesien ergriffen worden seien. Experten der FAA und der US-Transportsicherheitsbehörde NTSB kamen am Dienstag in Äthiopien an, um bei der Klärung der Unglücksursache zu helfen.
Manche Luftfahrtbehörden wollten aber offenbar nicht bis zum nächsten Boeing-Update warten. Das Startverbot in Singapur soll solange gelten, bis "weitere Informationen gesammelt und das Sicherheitsrisiko neu bewertet" ist, teilte die Luftfahrtbehörde mit. Betroffen von dem Verbot sind unter anderem die Fluggesellschaften China Southern, Thai Lion, Garuda, Silk Air und Shandong. Das Verbot in Australien hat bisher nur auf die beiden Airlines Silk Air aus Singapur und Fiji Airways von den Fidschi-Inseln Auswirkungen.
China und Indonesien hatten den neuen Boeings bereits am Montag ein Startverbot erteilt. Chinas Luftfahrtbehörde verwies in der Begründung des Startverbots darauf, dass es bei beiden Unglücken "gewisse Ähnlichkeiten" gegeben habe. Beide Flüge waren bei gutem Wetter kurz nach dem Start in Schwierigkeiten gekommen.
40 Prozent bleiben am Boden
Fast 40 Prozent der bisher weltweit eingesetzten 371 Boeing 737 Max heben dem Branchendienst Flightglobal zufolge vorübergehend nicht mehr ab. Damit bleiben inzwischen mindestens 130 der Flugzeuge am Boden, darunter knapp 100 Maschinenim größten Markt China. Zahlreiche Fluggesellschaften entschlossen sich ebenfalls, die Maschinen am Boden zu lassen, darunter Ethiopian Airlines, die mexikanische Aeromexico, Aerolineas Argentinas und in Brasilien die Gesellschaft Gol. Seit 2017 hat Boeing rund 350 Maschinen ausgeliefert. Andere Fluggesellschaften wie American Airlines, Southwest Airlines und Norwegian halten am Betrieb des Flugzeugs fest. Österreichische Airlines haben diesen Flugzeugtyp nicht in ihrer Flotte. Auch deutsche Fluggesellschaften nutzen bisher keine Boeing 737 Max 8.
Tui-Konzern lässt weiter fliegen
Gestützt auf Empfehlungen der US-Luftfahrtbehörde FAA lässt der Tui-Konzern aus Hannover seine 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 weiter fliegen. Anders als zahlreiche andere Airlines weltweit sieht der Reisekonzern nach dem Absturz eines baugleichen Typs in Äthiopien derzeit keine Notwendigkeit für ein Startverbot, hieß es am Dienstag. Es gebe aber bereits Anfragen besorgter Passagiere, die Flüge mit diesem Flugzeugtyp vermeiden wollten.
Zur Flotte des weltgrößten Reisekonzerns Tui gehören 15 Jets dieses Typs, die in Großbritannien und den Benelux-Staaten auf Strecken zu den Kanaren oder den Kapverden im Einsatz sind. In Deutschland steht die Einführung der jüngsten Version des Boeing-Verkaufsschlagers im April an. Bei bisher 6.500 Flügen hätten die Tui-Piloten bisher keine Probleme gehabt, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Tui-Konzern steht nach eigenen Angaben mit dem US-Flugzeugbauer zur Bewertung der Situation in engem Kontakt. Der Konzern nehme die Ängste der Passagiere aber ernst. Sie könnten Flüge mit Maschinen des Typs Boeing Max 8 umbuchen, wenn es Alternativen gebe. Das sei aber nicht kostenfrei.
Die Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines war am Sonntag auf dem Weg nach Nairobi kurz nach dem Start in Addis Abeba abgestürzt. Die Flugschreiber wurden inzwischen am Absturzort gefunden. Die Boeing 737 ist das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufsschlagers. Die Überarbeitung der Software erfolgte Boeings Mitteilung zufolge im Zuge des im Oktober in Indonesien abgestürzten Lion-Air-Flugs 610 und werde in den kommenden Wochen bei sämtlichen 737-Max-Maschinen installiert. Das sogenannte Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) war nach dem Absturz in Indonesien schwer in die Kritik geraten. Laut Unfallermittlern drückte der Bordcomputer die Nase des Flugzeugs automatisch immer wieder nach unten, während die Crew versucht habe, sie nach oben zu steuern.