Einige Flugexperten äußern die Vermutung, dass ein Softwareproblem für den Absturz der Boeing 737-Max-8 verantwortlich sein könnte. Was sagen Sie dazu?
Thomas M. Friesacher: Das wäre Kaffeesudlesen, denn es ist verfrüht und alles nur reine Spekulation. Die Flugschreiber müssen erst ausgewertet werden. Eine vorschnelle Vermutung ist grob fahrlässig zu diesem Zeitpunkt. Aber ich weiß schon, wir leben in einer Instant-Informationsgesellschaft, die sofort Ergebnisse haben will. Aber das geht so nicht. Eine Flugunfalluntersuchung braucht Zeit. Es gibt eine eindeutige Diskrepanz zwischen dem Informationsbedürfnis der Gesellschaft und der Sicherheitsforschung. Bevor ich eine Aussage tätigen kann, brauche ich Fakten. Und die erfordern Zeit, Forschung und Laboruntersuchungen.
Die Zahl der weltweiten Produktrückrufe, etwa in der Autoindustrie, ist in den letzten Jahren permanent gestiegen. Tempo und Druck steigen in den Branchen, da hält die Qualität offenbar nicht mit. Ist das auch in der Flugzeugindustrie denkbar?
Im Unterschied zur Autoindustrie steckt hinter der Luftfahrtindustrie ein rigoroses Zertifizierungsmanagement. Aber dass heutzutage viel mit Simulation gemacht werden kann, ist ein Zug der Zeit. Die Programme werden nicht mehr hardcore im Flugzeug abgeflogen, sondern unter Laborbedingungen getestet. Aber es wird dadurch nicht leichter, ein Flugzeug zuzulassen, denn die Software-Komponenten werden immer wichtiger.
Kann die Flugzeug-Software dazu führen, dass sie etwas Kluges, das der Pilot machen möchte, nicht zulässt? Dass der Autopilot also einen Fehler macht?
Ja. Wenn gewisse Fehlimpulse in dieses Modul im Computer einsteuern und dieser eine falsche Fehlerausgangsposition hat, kann man das unter Umständen nicht mehr ausschalten. Wir leben nun einmal im Computerzeitalter. Aber das ist kein Boeing-Spezifikum, das gibt es auch bei Airbus. Ich bin selbst Airbus-Kapitän.
Muss man sich also fürchten?
Glauben Sie mir: nein! Ich sitz’ da auch drin, und ich will abends nach Hause zu meinen Kindern. Und noch einmal nein, weil wir uns im Sicherheitssystem Luftraum darauf verständigt haben, dass das die Parameter sind, in denen wir uns bewegen wollen. Das hat zu einer immensen Verbesserung in der Luftfahrtsicherheit geführt. Das beweist auch die Statistik.
Was bedeutet dieses Flugzeugunglück nun für den Flugverkehr? Mehrere Länder lassen die Boeing 737-Max-8 nicht mehr starten.
Für Boeing ist das der Mega-Gau. Bei denen geht es seit Bekanntwerden des Absturzes rund. Denn es ist natürlich das größte Bestreben eines Erzeugers, dass ein Flugzeug nicht abstürzt.
Kann es sein, dass nun aufgrund von Engpässen Passagiere nicht mehr weiterkommen?
Das kann durchaus passieren. Wenn die Flotte der Max gegroundet wird, also nicht mehr starten darf, fällt ein großer Anteil der Transportmittel weg.
Manuela Swoboda