Den kleinen Julen kennen die wenigsten Menschen persönlich. Wie er ist, wie er aussieht. Das Schicksal des Buben, der im Süden Spaniens in einem tiefen Schacht gesucht wird, hält seit knapp zwei Wochen sein Heimatland und auch die halbe Welt in Atem. Die Notfalldienste und Rettungskräfte bekommen Solidaritätsbekundungen und Aufmunterung aus allen Ecken Europas, aber auch aus Lateinamerika.

107 Meter tiefer Schacht

Julen und auch die Eltern und die Nachbarn des Kleinen, die durch eine schier unendliche Hölle der Gefühle getrieben wurden, sind indirekt Opfer des spanischen Dürredramas. Der 107 Meter tiefe Brunnenschacht, in den das Kind am 13. Jänner bei einem Familienausflug stürzte, wurde nach Behördenangaben auf der Suche nach Wasser ohne Genehmigung gegraben. In Spanien ist das keine Seltenheit. Im Gegenteil: Nach Schätzung der Umweltorganisation Greenpeace gibt es im ganzen Land über eine Million solcher illegaler Löcher. Die Zeitung "El Mundo" schrieb, in Wirklichkeit seien es viel mehr. Und "jene Bohrungen, die nicht zum Erfolg führen, werden mehr schlecht als recht zugedeckt."

Seit Jahren regnet es in Spanien aufgrund es Klimawandels zu wenig. Flüsse trocknen aus, vor allem im Süden und im Landesinneren gibt es immer mehr steinwüstenähnliche Landschaften. Besitzer von Grundstücken und Fincas beauftragen deshalb sogennante "Poceros", erfahrene "Löchergräber", mit Bohrungen, die oft in wahren Nacht- und Nebelaktionen nur bei Mondlicht durchgeführt werden. Im Volksmund heißen diese Schächte deshalb "Mondscheinlöcher".

Der erfahrene "Pocero" Antonio Jesus Peralvarez, der für seine Arbeit 2000 bis 4000 Euro kassiert, nahm im Gespräch mit "El Mundo" kein Blatt vor dem Mund. "Meine Aufgabe ist es, das Loch zu bohren. Um die Abdeckung kümmert sich auch bei legalen Bohrungen der Auftraggeber. Zumal der oft nach einigen Tagen wieder schauen will, ob Wasser herauskommt." Normal sei es, die Öffnung des Loches "mit einem großen Stein zuzudecken, den ein Kind nicht aufheben kann".

Julens Vater, der arbeitslose Marktverkäufer Jose Rosello, räumte ein, dass das Unfall-Loch mit der nur 25 Zentimeter breiten Öffnung auf dem Grundstück des Freundes einer seiner Cousinen offenbar nicht ausreichend gesichert war: "Es war mit einigen Steinen zugedeckt, die sie (die Cousine und der Freund) draufgelegt haben." Niemand habe diese Steine entfernt. "Aber die Steine waren wahrscheinlich nicht ganz fest. Julen ist wohl draufgetreten und durchgerutscht. Der Zweijährige ist sehr schlank, er wiegt nur elf Kilo."

Auch wenn die Behörden bereits Ermittlungen einleiteten: Die Frage nach dem oder den Schuldigen beschäftigte die Spanier und die Welt zunächst eher weniger. Journalisten und Kamerateams aus der ganzen Welt hielten in großer Entfernung zu der von der Polizei abgeriegelten Unfallstelle am Hügel Cerro de la Corona Wache. Die spanische Bischofskonferenz rief zu Gebeten für das Kind auf. Regierungschef Pedro Sanchez und andere Prominente riefen Eltern und Helfer zum Durchhalten auf.

"Wir und Gott sind bei Dir!"

Erwachsene und Kinder gingen mit Schildern auf die Straße: "Halt' durch, Julen!" und "Wir und Gott sind bei Dir!" war unter anderem zu lesen. In El Palo, einem armen Vorort Malagas, in dem Julens Familie wohnt, leiden die Menschen mit. "Ich wache nachts auf und sage mir: Mein Gott, wie ist das möglich", sagte eine ältere Frau. Die Eltern hatten 2017 einen Sohn verloren, der mit drei Jahren einem Herzversagen erlag.

Am Donnerstagabend fand in Totalan eine Nachtwache für die Familie statt, Julens Eltern Jose und Vicky konnten dabei die Tränen nicht zurückhalten.