Der US-Forscher James Allison (MD Anderson Medical School Houston/Texas/USA) und der japanische Wissenschafter Tasuku Honjo (Universität Kyoto) teilen sich den diesjährigen Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Dies gab das Nobelpreiskomitee am Montag bekannt. Sie werden für Entdeckungen ausgezeichnet, welche zur Immuntherapie gegen Krebserkrankungen durch Immuncheckpoint-Blockade führten.
Die diesjährigen Nobelpreise sind mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 870.000 Euro) dotiert. "Krebs tötet Millionen Menschen jedes Jahr, er ist einer der größten Gesundheitsherausforderungen", schrieb das Nobelpreiskomitee. "Während der 1990er-Jahre untersuchte James P. Allison an der Universität von Kalifornien in Berkeley, das T-Zell-Protein CTLA-4. Er war einer von mehreren Wissenschaftern, welche die Beobachtung machten, dass CTLA-4 als 'Bremse' für die T-Immunzellen fungiert." Honjo von der Kyoto Universität wiederum hatte 1992 ein anderes Protein auf der Oberfläche von T-Immunzellen entdeckt. "Entschlossen, seine Rolle aufzuklären, führte er eine Serie von eleganten Experimenten über mehrere Jahre an seinem Institut an der Kyoto Universität durch. Die Ergebnisse zeigten, dass PD-1 - ganz ähnlich wie CTLA-4 - als Hemmschuh für die T-Zellen wirkt", merkte das Nobelpreiskomitee an.
Hintergrund der Forschung
Der Hintergrund: Auf den T-Lymphozyten (T-Zellen, Immunzellen) finden sich eine ganze Reihe von Oberflächenproteinen, welche für die Interaktion mit anderen Zellen, für die Aktivierung oder das Stillhalten der Immunzellen verantwortlich sind. Allison entdeckte CTLA-4 auf T-Zellen. Tasuku Honjo fand PD-1 auf Immunzellen. In den Jahren darauf wurde auch noch das an PD-1 bindende Protein PD-L1 identifiziert. Mit monoklonalen Antikörpern wie Ipilimumab (gegen CTLA-4), Nivolumab (und bereits viele andere gegen PD-1) oder Atezolizumab (gegen PD-L1 gerichtet) stehen damit seit wenigen Jahren im Vergleich zu Chemotherapeutika erstmals wirksame Immuntherapeutika gegen Krebs zur Verfügung.
"Zugelassen sind solche Medikamente beim Bronchuskarzinom, Blasenkarzinom, Nierenzellkarzinom, Hodgkin-Lymphom, HNO-Karzinomen, bei Magenkrebs, Leberzellkarzinomen und anderen bösartigen Erkrankungen", sagte der Koordinator des Comprehensive Cancer Center in Wien, Christoph Zielinski. Die Erfolge der Hunderten klinischen Studien in diesem Bereich haben auch dazu geführt, dass Immuncheckpoint-Blockade bei einigen Krebserkrankungen bereits in die "Erstlinien-Therapie" von nicht vorbehandelten Patienten rückt. Zumeist aber werden sie derzeit noch angewendet, wenn eine Chemotherapie oder eine zielgerichtete medikamentöse Behandlung ihren Effekt eingebüßt bzw. ein Rückfall erfolgt ist. Freilich die anfänglichen Ergebnisse mit diesen Therapien, welche von Ansprechraten bei Krebspatienten von 40 und mehr Prozent sprachen, waren wohl zu euphorisch. Zielinski sagte dazu: "Bei 20 bis 25 Prozent der Behandelten erreicht man derzeit eine langfristige Kontrolle der Erkrankung."
Das größte Problem liegt darin, dass es bisher keinen (Labor-)Wert gibt, mit dem sich vor einer Immuntherapie ein zu erwartender Effekt vorhersagen lässt. Weitere Probleme im Rahmen einer solchen Therapie stellen beispielsweise Autoimmun-Nebenwirkungen und Probleme bei der Bestimmung von Wirkung oder Versagen der Behandlung dar.
Um die Wirkung der neuen Immuntherapien zu erhöhen, wird in zahlreichen Studien die Kombination mit anderen Behandlungsformen erprobt: Mit Chemotherapeutika, anderen Biotech-Medikamenten (Anti-Angiogenese), Strahlenbehandlung und anderen Immuntherapeutika (Impfungen).
"Die Immuncheckpoint-Blockade stellte erstmals auf diesem Gebiet einen Durchbruch dar und ist rasch zu einem Behandlungsprinzip - zunächst bei Melanom, dann bei Lungenkrebs, Nierenzellkarzinomen und anderen Krebserkrankungen - geworden", sagte Matthias Preusser, nunmehr Professor für Internistische Onkologie von MedUni Wien/AKH, gegenüber der APA. Er sprach von einem "Paradigmenwechsel". "Allison ist ein hoch genialer Wissenschafter. Honjo ist ein toller Wissenschafter, ein sehr vornehmer, eleganter Herr - ein toller Typ"", sagte der Koordinator des Comprehensive Cancer Center (CCC) von MedUni Wien und AKH, Christoph Zielinski. Immuncheckpoints spielten bei fast allen Krebserkrankungen eine gewisse Rolle. Daraus resultiere die Bedeutung der Entdeckungen der beiden neuen Medizin-Nobelpreisträger.
Wie die Immuntherapie funktioniert
Bei allen Bemühungen, den Krebs zielgenau zu therapieren, hat sich die Medizin einen mächtigen Verbündeten an Bord geholt: das Immunsystem. Hier sind vor allem in späten Stadien der Erkrankungen Erfolge möglich, die Onkologen zum Schwärmen bringen.
Die Grundidee der Mediziner: Wir nutzen das körpereigene Immunsystem, um die Krebszellen zu erkennen und zu attackieren. Eigentlich ist genau das die Aufgabe des Immunsystems: entartete menschliche Zellen, die der Ausgangspunkt von Krebs sind, unschädlich zu machen. Ein Tumor ist aber so intelligent, dass er sich vor dem Immunsystem „verstecken“ und die Abwehrzellen des Immunsystems hemmen kann.
Hier greifen nun Medikamente ein, sie nehmen den Krebszellen ihre Tarnkappen ab und machen sie sichtbar. Es werde zum Beispiel auch an einer „Impfung“ gegen Krebs gearbeitet: Damit sollen Immunzellen auf Krebs-Antigene trainiert werden und diese dann besser erkennen können. Eine solche Impfung würde aber nicht zur Vorsorge, sondern als Therapie eingesetzt.
Eigene Zellen als Medikament
Ein weiterer Ansatz: Nicht Medikamente machen das Immunsystem „scharf“, sondern die Immunzellen des Patienten selbst werden zum Medikament. Dazu wird dem Patienten eine Blutprobe entnommen, die enthaltenen Immunzellen werden molekulargenetisch verändert und dem Patienten wieder verabreicht. Diese Zellen sind dann in der Lage, Krebszellen zu entdecken und zu bekämpfen.
Die Auszeichnung ist mit neun Millionen Schwedischen Kronen (rund 870.000 Euro) dotiert. 2017 erhielten den Medizin-Nobelpreis drei US-Forscher - Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young. Dies erfolgte für die Aufklärung der Mechanismen der biologischen "Inneren Uhr" von Lebewesen.