Am Tag nach den Übergriffen auf Ausländer in Chemnitz im deutschen Bundesland Sachsen hat die Polizei versucht, ein Aufeinanderprallen von rechten und linken Gruppen zu verhindern. Vergeblich. Durch Würfe von Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen seien einige Menschen verletzt worden, teilte die Polizei Chemnitz auf Twitter mit. Am Abend seien beide Kundgebungen beendet worden, die Lage habe sich beruhigt.
Bei der Kundgebung der Gruppe "Pro Chemnitz" habe es Hinweise auf Hitlergrüße gegeben, meldete die Polizei. Zudem habe ein Bündnis "Chemnitz nazifrei" eine Kundgebung angemeldet. Vereinzelt seien Teilnehmer der verschiedenen Versammlungen aneinandergeraten. Zur Teilnehmerzahl wollte sich die Polizei zunächst nicht äußern.
Anlass des Protestes und einer Gegendemonstration waren gewalttätige Ausschreitungen am Wochenende am Rande des Stadtfestes in Chemnitz. Dabei war ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden, zwei weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen. Gegen einen 23 alten Syrer und einen 22 Jahre alten Mann aus dem Irak wurde am Montag Haftbefehl wegen Totschlages erlassen. Die Bluttat wurde Auslöser für fremdenfeindliche Ausschreitungen in der Stadt bereits am Sonntag.
Mehrere Tausend Menschen demonstrierten
An den Demonstrationen am Montagabend nahmen mehrere Tausend Menschen teil. Die Polizei versuchte mit einem Großaufgebot die von Rechten dominierte Protestveranstaltung und eine vom Bündnis "Chemnitz nazifrei" organisierte Veranstaltung zu trennen. Auch Vermummte wurden gesichtet. Nach Berichten von Augenzeugen im Internet kam es wiederholt zu Versuchen der Rechtsextremen, die Kette der Polizisten zu durchbrechen. Die Polizei hatte unter anderem Wasserwerfer auffahren lassen. Am Abend lösten sich beide Demonstrationen auf, wobei die Polizei Mühe hatte, Angriffe auf abziehende antifaschistische Gegendemonstranten zu unterbinden.
Sachsens Generalstaatsanwalt Hans Strobl hatte zuvor erklärt, die Ermittlungen zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande des Chemnitzer Stadtfestes übernommen zu haben. Die vor zwei Jahren eingerichtete Sondereinheit Zentralstelle Extremismus Sachsen (ZESA) werde die weiteren Ermittlungen führen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Montagabend in Dresden mit.
"Wir wollen die Ermittlungen konzentriert und beschleunigt führen, damit die mutmaßlichen Täter schnellstmöglich vor Gericht gestellt werden können", erklärte Strobl. Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) erklärte, die "zügige Arbeit der Staatsanwaltschaft Chemnitz und der Polizei" zum Tod eines 35-jährigen Mannes und mehrerer Fälle von schwerer Körperverletzung hätten schnell zu ersten Ergebnissen geführt. Diese Taten müssen weiter zügig aufgeklärt werden.
"Aber mit der gleichen Entschlossenheit werden wir die Ermittlungen wegen der anschließenden Ausschreitungen vorantreiben", sicherte Gemkow zu. Daher sei es richtig, dass Strobl die Ermittlungen übernommen habe. "Das Gewaltmonopol liegt einzig und allein beim Staat, und wir werden gegen diejenigen, die das nicht akzeptieren, konsequent vorgehen", erklärte der Justizminister.
"Deitsch un' frei woll'n mer sei"
Kurz nach einer Kundgebung gegen rechte Gewalt im Stadtpark von Chemnitz drängten am Montag Hunderte Demonstranten in Richtung einer Kundgebung der rechten Szene auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Dort skandierten sie Parolen wie "Nationalismus raus aus den Köpfen" und "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda".
In Sicht- und Hörweite hatte die rechte Szene am Karl-Marx-Monument eine Kundgebung mit einem Aufzug durch die Innenstadt beantragt. Geschätzt 1000 Menschen hatten sich dort versammelt. Am Monument wurde ein Transparent mit dem Spruch "Deitsch un' frei woll'n mer sei" des Dichters Anton Günther (1876-1937) angebracht. Hunderte Beamte der Bereitschaftspolizei hatten die Straße zwischen beiden Kundgebungen gesperrt.
Es gab Hinweise auf Hitler-Grüße und vermummte Demonstranten: Der Oberbürgermeister von Chemnitz, Miko Runkel, erklärte, man habe keine Handhabe, den Marsch der rechten Szene durch die Stadt zu untersagen. Die Bereitschaftspolizei sicherte mit Hunderten Beamten beide Veranstaltungsorte und versuchte, ein Zusammentreffen der beiden Gruppierungen zu verhindern.
Keine Verharmlosung rechter Gefahren
Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Alexander Dierks, hat nach neuen Ausschreitungen Kritik an der Polizei und seiner Partei zurückgewiesen. "Ich denke, dass die sächsische Polizei am gestrigen Tag durchaus vorbereitet war und dass es auch gelungen ist, Recht und Ordnung durchzusetzen", sagte Dierks am Dienstag im Deutschlandfunk.
Schlimmeres sei vermieden worden, auch wenn eine "enorm große" Zahl von teils gewaltbereiten Menschen den zweiten Tag in Folge in Chemnitz demonstriert habe. Vorwürfe, dass die seit langem in Sachsen regierende CDU rechte Gefahren verharmlost habe, seien nicht berechtigt. "Ich weise das deutlich zurück", sagte Dierks
Dierks nannte es einen Erfolg, dass schon kurz nach der Tötung Tatverdächtige ermittelt worden seien und die Tat damit aufgeklärt worden sei. Er warnte davor, die Vorgänge in Chemnitz politisch zu instrumentalisieren und dazu zu nutzen, das Bild Sachsens pauschal zu beschädigen.