Nach dem Einsturz einer vierspurigen Autobahnbrücke in der italienischen Hafenstadt Genua ist die Zahl der Todesopfer weiter gestiegen. Es seien mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Feuerwehr. Zuvor hatte Innenminister Matteo Salvini von 30 bestätigten Toten und Verletzten in ernster Verfassung gesprochen.
Elf Überlebende seien aus den Trümmern geborgen worden, sagte Bürgermeister Marco Bucci dem Fernsehsender SkyTG24. Unter den Toten soll auch ein Kind sein. Der Polcevera-Viadukt, im Volksmund nach dem Architekten Riccardo Morandi auch Ponte Morandi genannt, überquert unter anderem Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet im Westen von Genua.
Die Morandi-Brücke auf der Autobahn A10, der berühmten Urlaubsverbindung "Autostrada dei Fiori", stürzte in mehr als 40 Metern Höhe auf einem zwischen 100 und 200 Meter langen Stück ein. Nach Berichten von Zeugen wurden Autos in die Tiefe gerissen, Lastwagen landeten im Fluss Polcevera. Zahlreiche Fahrzeuge wurden unter herabfallenden Trümmern begraben.
Nach Angaben der Feuerwehr brach die Brücke an der A10 gegen 11.30 Uhr bei strömendem Regen zusammen. Überlebende des Unglücks berichten der Nachrichtenagentur Ansa: "Gegen halb zwölf haben wir einen Blitz in die Brücke einschlagen sehen - und dann stürzte die Brücke in sich zusammen." Die Brückenteile prallten mit großer Wucht auf den Erdboden. Das größte Stück ist in den Polcevera-Fluss gefallen, einige Teile trafen auch Fabrikhallen. Da ist es ein Glück, dass Ferienzeit ist. Im August steht Italien still. Laut Zivilschutz dürfte in den Hallen so gut wie niemand an der Arbeit gewesen sein.
Zum Zeitpunkt der Tragödie waren nach Angaben der Betreibergesellschaft Autostrade per Italia Bauarbeiten im Gange. Wie das Unternehmen am Dienstag auf seiner Homepage mitteilte, sei an der Sohle des Polcevera-Viadukts gearbeitet worden. Auf der Brücke selber habe ein Baukran gestanden. Der Zustand der Brücke sowie der Fortgang der Renovierung seien immer wieder kontrolliert worden. Erst wenn ein gesicherter Zugang zur Unfallstelle möglich sei, könne Näheres über die Ursachen des Einsturzes gesagt werden, teilte das Unternehmen weiter mit.
Die Schrägseilbrücke wird von den Genuesen auch "Ponte di Brooklyn", also "Brooklyn Bridge", genannt. Wie so viele Autobahnen stammt sie aus den 1960er-Jahren. Medien berichten immer wieder von der Gefahr einstürzender Brücken, von der Infrastruktur in Italien, die fatal veraltet und deren Lebenszeit auf 50 bis 60 Jahre begrenzt sei.
Die Vorwürfe in diesem Zusammenhang sind immer wieder die gleichen: Es werde zu wenig Geld in die Instandhaltung gesteckt - aber auch Korruption, Misswirtschaft und Vernachlässigung seien im Spiel. Der neue Verkehrsminister Danilo Toninelli beklagt im Radio, es sei nicht genug für die Instandhaltung getan worden. "Es sind Tragödien, die in einem zivilisierten Land wie Italien nicht passieren dürfen."
Maroder Zustand der Infrastruktur
Toninelli schrieb auf Twitter, es zeichne sich eine "riesige Tragödie" ab. Das Unglück belege den maroden Zustand der Infrastruktur in Italien und die Wartungsmängel, sagte er dem staatlichen Fernsehen. Die Verantwortlichen würden dafür büßen müssen. Sein Ministerium werde Klage gegen den Autobahn-Betreiber Autostrade einreichen, falls ein Gericht eine Untersuchung einleiten werde.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich erschüttert über den Einsturz geäußert. Er sei tief betrübt über die Katastrophe, sagte Juncker am Dienstag nach einer Mitteilung. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere EU-Politiker drückten ihr Mitgefühl aus. Präsident Emmanuel Macron bot der italienischen Regierung Hilfe an