Frau Thonicke, zuerst Waldbrände in Schweden und nun die verheerenden Feuer im Raum um Athen: Wurde all das schon Teil des Sommers?
KIRSTEN THONICKE: Waldbrände in Mittelmeerländern gehören in gewissem Umfang zum Sommer dazu. In diesen Ländern treten Waldbrände regelmäßig auf und innerhalb ihres natürlichen Rahmens kann die Natur sich auch davon erholen. In Mitteleuropa gehören sie nur auf einer sehr kleinen Skala dazu. In Schweden treten ebenfalls Waldbrände auf, jedoch normalerweise in einer viel kleineren Größenordnung, die im Durchschnitt maximal 2000 Hektar im Jahr erreichte. Eine Ausnahme bilden Wetterextreme, durch die Feuer zu Naturkatastrophen werden.
Was macht die Lage in Griechenland – abgesehen von einem unzureichenden staatlichen Feuerwehrnetz und Brandstiftern – so gefährlich?
THONICKE: Die Situation in Griechenland ist momentan nicht fatal, das zeigen die Feuermonitoringwerte der Europäischen Waldbrandstatistik. Bis dato sind die verbrannten Flächen unterdurchschnittlich, die Feuergefährdung liegt in dem Bereich, der für den Sommer in Griechenland als durchschnittlich angesehen wird. Hier beziehe ich mich auf die klimatische Gefährdung, die zu Waldbränden führen kann. Aktuell treten auch heuer hohe Windgeschwindigkeiten auf, die die hohen Temperaturen von 40 Grad Celsius begleiten – ein ähnlicher Wetterzustand also wie 2007, als ebenfalls viele Menschen ihr Leben verloren. Was zur Katastrophe nahe Athen geführt hat, muss im Detail untersucht werden. Das kann wahrscheinlich nicht mit bekannten Kenntnissen aus dem Waldbrandwarnsystem und der Feuerbekämpfung erklärt werden. Hier müssen wir Untersuchungen abwarten.
Wird die Gefahr von Waldbränden in Zukunft noch weiter ansteigen? Muss sich ganz Europa noch stärker auf solche Ereignisse einrichten?
THONICKE: Das ist zu befürchten. Mit der Klimaerwärmung steigt auch seine Variabilität, das heißt, es kommt auch zu mehr Extremereignissen. Diese können wahrscheinlich auch Regionen stärker betreffen, die bislang wenig mit extremen Waldbränden zu tun hatten.
Wenn man davon ausgeht, dass die Feuer in Griechenland nicht durch Brandstiftung ausbrachen: Wie weit reichen heute die Möglichkeiten eines Frühwarnsystems?
THONICKE: Das hängt stark von der Situation in den jeweiligen Ländern ab. Die Frühwarnsysteme sind der Situation in den Ländern angepasst. Für alle Länder werden Waldbrandindices nach einem standardisierten Verfahren berechnet, auch europaweit. Dazu gehört auch die Information, wie hoch die Gefahr ist, dass Waldbrände sich schnell ausbreiten können. Die Länder nutzen dann verschiedene Systeme aktive Feuer zu entdecken, oft satellitengestützt. Im Bundesland Brandenburg gibt es, z.B., ein automatisiertes Kamerasystem, das auf Wachtürmen installiert ist. Konkrete Evakuierungspläne für betroffene Gebiete übernimmt der Katastrophenschutz. Die Möglichkeiten gehen heute also schon sehr weit. Es überrascht in diesem Jahr Menschen in Nordeuropa, die damit bislang eher wenig konfrontiert waren. Hier ist wahrscheinlich ein Umdenken, auch auf europäischer Ebene, zunehmend notwendig.
Können Sie die Feuer als Folge des Klimawandels werten?
THONICKE:Um das genau benennen zu können, müssen wir mehr über die Umstände der aktuellen extremen Ereignisse erfahren. Dies dann dem Klimawandel zuzuordnen, bedarf gesonderter statistischer Untersuchungen, die momentan noch nicht möglich sind. Da müssen wir warten, bis die Feuersaison vorbei ist. Gegenwärtig können extreme Jahre mit hoher Waldbrandaktivität nicht eindeutig dem Klimawandel zugeordnet werden.
Interview: Thomas Golser