Bei den verheerenden Bränden in Griechenland sind mindestens 74 Menschen getötet worden. Dies teilte eine Sprecherin der griechischen Feuerwehr am Dienstagnachmittag mit. Zuvor hatte die Regierung von 50 Toten gesprochen. Zudem seien 164 Erwachsene und 23 Kinder verletzt worden. Alle Kinder seien außer Lebensgefahr, sagte die Sprecherin.
Das ist jedoch nur eine vorläufige Bilanz: Dutzende Menschen werden noch vermisst. Die Feuerwehr rief alle Bürger auf, sich bei den Behörden zu melden, sofern Bekannte oder Verwandte vermisst werden. Ein riesiges Gebiet von gut 40 Quadratkilometern wurde zerstört. Die meisten Brände, die bewohnte Gebiete bedrohten, seien unter Kontrolle.
Besonders betroffen von den am Montagnachmittag ausgebrochenen Bränden ist der in der Region liegende Badeort Mati, etwa 29 Kilometer von der griechischen Hauptstadt entfernt. Viele Menschen starben, als die außer Kontrolle geratenen Brände rasend schnell durch den kleinen Ort fegten. Den Flüchtenden versperrten hohe Flammen und dichte Rauchschwaden den Weg zum Meer.
Hunderte Menschen flohen dorthin, um sich vom Wasser aus retten zu lassen. Viele warteten stundenlang eingehüllt von Aschewolken am Strand. 715 Menschen wurden schließlich mit Booten nach Rafina gebracht, wie die Regierung mitteilte. Mindestens fünf Menschen seien auf der Flucht vor dem Feuer im Meer gestorben. Nach möglichen weiteren Opfern wird noch gesucht.
Rettungsmannschaften entdeckten Dienstagfrüh 26 Leichen an einem Steilhang. "Der Einsatzleiter weinte", berichtet ein Reporter vor Ort und beschreibt das ganze Drama: Die Opfer, darunter etliche Familien, hatten versucht, den Flammen zu entkommen und waren von ihren Häusern in Richtung Küste gerannt. Doch dieser Küstenabschnitt kann nur über einen schmalen Pfad erreicht werden, in dem dichten Rauch und in ihrer Panik finden ihn die Menschen nicht. Die Flammen kommen von allen Seiten, schließen die Menschen ein. Sie bleiben stehen, umarmen sich ein letztes Mal und sterben.
Mati liegt in der Region Rafina, die vor allem bei griechischen Urlaubern beliebt ist. Viele Kinder verbringen dort den Sommer in Ferienlagern. Am Dienstagfrüh bot sich den Rettungskräften ein Bild der Verwüstung: Zum Teil stieg immer noch weißer Rauch auf, ausgebrannte Fahrzeuge standen vor drei- bis vierstöckigen Wohnblocks, die Brandschäden aufwiesen. Die Feuerwehr warnte, dass die Flammen immer noch nicht ganz unter Kontrolle seien, auch wenn sie sich dank nachlassender Winde nur noch langsam ausbreiteten. "Mati existiert als Siedlung nicht mehr", sagte ein Frau im Fernsehen. "Ich bin froh, am Leben zu sein."
Notstand ausgerufen
Fernsehreporter vor Ort berichteten, dass die Zahl der Opfer noch deutlich steigen dürfte, da in verschiedenen Orten im Osten Athens immer neue verkohlte Leichen entdeckt würden. Im Großraum Athen wurde der Notstand ausgerufen.
Reporter des Nachrichtensenders Skai berichteten, in einem Haus seien die Leichen von zwei Frauen mit ihren Kindern entdeckt worden. "Die Frauen hatten ihre Kinder in ihrer Verzweiflung umarmt, um sie vor den Flammen zu schützen", sagte ein Reporter des Senders. Auch die Leiche eines weiteren Kleinkindes sei entdeckt worden. Die Feuerwehr wollte am Vormittag eine Bilanz ziehen. Informationen über Touristen unter den Opfern lagen zunächst nicht vor.
Bitte um Hilfe
Die Behörden baten angesichts der Lage um Hilfe bei anderen Ländern der Europäischen Union. Zypern und Spanien boten ihre Unterstützung an. Das Feuer in Mati war das verheerendste seit der Brandkatastrophe auf der Halbinsel Peloponnes im August 2007, bei der Dutzende Menschen starben. Neben den Toten wurden in Mati 156 Menschen verletzt, wie die Behörden mitteilten. Auch darunter waren viele Kinder. Elf Menschen befanden sich auf Intensivstationen. Das jüngste Todesopfer war ein vermutlich sechs Monate altes Baby, das an einer Rauchvergiftung starb.
"Bewohner und Besucher in der Region konnten nicht rechtzeitig fliehen, obwohl sie nur ein paar Meter vom Meer entfernt in ihren Häusern waren", sagte eine Feuerwehrsprecherin. Die Küstenwache rettete nach eigenen Angaben gemeinsam mit anderen Helfern 696 Menschen. Aber auch vier Leichen seien aus dem Wasser gezogen worden.
Ursache nicht bekannt
Die Ursache des Feuers war zunächst nicht bekannt. Auch in anderen Teilen des Landes wüten derzeit unkontrollierte Feuer. Hunderte Wohnhäuser und Autos wurden zerstört. Wichtige Straßenverbindungen wie am Montag die Autobahn Athen-Korinth, die auf die Halbinsel Peloponnes führt, wurden zwischenzeitlich gesperrt. Der Zugverkehr wurde teilweise eingestellt. Über Athen zogen Rauchschwaden hinweg.
Die Brandgefahr ist nach dem relativ trockenen Winter derzeit besonders hoch. Seit Sonntag herrschen in Griechenland Lufttemperaturen von 40 Grad Celsius. Die Wetterbedingungen hatte der griechische Wetterdienst EMY vorhergesagt. Daher hatten die griechischen Behörden die Gefahr drohender Waldbrände schon vorab mit der erhöhten Alarmstufe vier angegeben. Folglich waren alle relevanten griechischen Dienststellen zuvor in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Zorn in der Bevölkerung
Indes werden in der Bevölkerung kritische Stimmen laut. So fragen sich die Bewohner von Mati, ob die Katastrophe hätte verhindert werden können. Im nahen Umkreis gebe es oft keinerlei Löschwasser. "Das ist Aufgabe der Verwaltung", sagt der Einheimische Maximos Sapranidis, "und Nea Makri hat einen Bürgermeister, der lieber im Fernsehen auftritt als seine lokalpolitischen Hausaufgaben zu machen." Alle Tanks und Reservoirs in der Umgebung waren anscheinend leer.
Hinzu kommt, dass Experten zufolge die Infrastruktur in Sachen Brandschutz in der besonders in den Sommermonaten dicht besiedelten Region völlig unzureichend ist. Ferner ist die Bebauung in Mati anarchisch. Es gibt zahlreiche illegale Bauten, oftmals mitten im Wald. Außerdem ist das Straßennetz abseits der Autobahn ungenügsam und in einem schlechten Zustand. Dem Sender CNN sagt eine Bewohnerin von Mati, sie hätte gerne irgendeine Reaktion vom Staat gesehen, "aber das haben wir nicht und das werden wir nicht und das macht mich wütend".
Mehrere Behördenvertreter haben zudem erklärt, es sei seltsam, dass viele Großbrände gleichzeitig ausgebrochen seien. Sie wollen daher eine unbemannte Drohne aus den USA einsetzen, um verdächtige Vorkommnissen zu überwachen.
Tausende sind geflohen
In der Hafenstadt Rafina drangen die Flammen bis in den Stadtkern hinein. Tausende Menschen flohen aus der Region. Hunderte retteten sich vor den Flammen ins Meer. Stundenlang zogen Fischer und vorbeifahrende Schiffe die Menschen aus den Fluten. Im Hafen von Rafina zeigten Dutzende Menschen Fotos ihrer Verwandten und fragten Passanten, ob sie sie gesehen hätten.
Die Feuer waren so groß, dass Rauchwolken über Athen hingen und die Sonne verdunkelten. In der Region westlich und östlich der Hauptstadt haben Tausende Athener ihre Ferienwohnungen. Mehrere Bürgermeister schilderten Reportern, dass allein im Osten Athens mehr als 200 Häuser und Hunderte Autos zerstört oder beschädigt worden seien.
"Flammen wüten überall"
"Es ist das sogenannte schlimmste Szenario eingetreten", sagte der Chef des griechischen Zivilschutzes, Giannis Kapakis, im Fernsehen. Die Flammen wüteten in einem dicht mit Pinien bewaldeten Gebiet, wo es überall Ferienhäuser gibt. Viele Einwohner flüchteten in Panik, mehrere Kinder-Zeltlager mussten evakuiert werden. Strom, Telefon und Internet fielen in einigen Regionen aus. Wegen der starken Rauchbildung wurden die Autobahn und die Bahnstrecke zwischen Athen und Korinth gesperrt.
Mehr als 3.000 Feuerwehrleute, fünf Flugzeuge und zwei Hubschrauber waren im Einsatz gegen die Flammen. Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos erklärte, in der Region Attika seien gleichzeitig 15 Brände an drei verschiedenen Fronten ausgebrochen. Ministerpräsident Alexis Tsipras brach wegen der Brände eine Bosnien-Reise ab. "Heute ist Griechenland in Trauer", sagte er in einer Fernsehansprache und rief eine dreitägige Staatstrauer aus. "Meine Gedanken sind bei den Menschen und den Einsatzkräften", so Tsipras. Er äußerte den Verdacht, dass Brandstifter hinter den Feuern stecken könnten.
Der Bürgermeister der Hafenstadt Rafina, Evangelos Bournous, spricht am Dienstag im Rundfunk aus, was viele befürchten: Die Opferzahl könnte noch steigen. "Wir suchen von Haus zu Haus. Ich gehe von 60 Opfern aus", sagt er. Allein in seiner Region sollen mindestens 1.200 Häuser zerstört sein.
Kampf an zwei Fronten
Zunächst brach ein Brand im Westen Athens aus. Ursache unbekannt, heißt es von der Feuerwehr. Mehrere Häuser wurden zerstört, Opfer gab es aber nicht. Um die Mittagszeit kam die Katastrophe: Neue Feuer entstanden im Osten Athens. Die bereits stark ausgelasteten Feuerwehrleute, die Löschflugzeuge und Hubschrauber mussten nun an zwei großen Fronten kämpfen.
Und die zweite Front - entlang der Ostküste Athens- ist ein riesiges Urlaubsgebiet. Pinienwälder überall und mittendrin verstreut Tausende Ferienhäuser und Wohnungen. Viele Athener haben dort ihren zweiten Wohnsitz, wo sie mit ihren Familien den Sommer verbringen. Die Flammen fegen mit hoher Geschwindigkeit über das Gelände. Tausende Menschen flüchten in Panik.
Temperaturen um die 40 Grad
Derzeit herrschen in Griechenland Temperaturen um die 40 Grad. Zudem wehen in der betroffenen Region Windböen der Stärke sieben. Es hatte fast zwei Wochen lang nicht geregnet. Überall lag vertrocknetes Gas herum. Für die Feuerwehr, freiwilligen Helfer und das Militär kommt erschwerend hinzu, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit ohne Hilfe der Löschflugzeuge und Hubschrauber gegen die Flammen kämpfen müssen.
Waldbrände sind in den heißen Sommermonaten in Griechenland keine Seltenheit. Im Jahr 2007 waren dabei insgesamt 77 Menschen getötet worden.
Ganze Wohnviertel völlig zerstört
Das Staatsfernsehen (ERT) zeigt am Dienstag das Ausmaß der Katastrophe. Ganze Wohnviertel in den Ortschaften Mati, Nea Makri und Rafina mit völlig zerstörten oder schwerbeschädigten Häusern. Hunderte verbrannte Autos, die ihre Besitzer auf der Flucht vor den Flammen mitten auf der Straße abgestellt hatten. Verstörte und verletzte Tiere irren herum.
Die Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras will die Ursachen klären. Indes will die EU den Menschen unter die Arme greifen und mehrere Länder sagten die Entsendung von Löschflugzeugen zu. Am Dienstagabend und am Mittwoch werde zudem Hilfe von oben erwartet: Laut Wetteramt sollte es stark regnen.
EU drückt Mitgefühl aus
Angesichts der Waldbrände in Griechenland mit Dutzenden Toten hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Angehörigen und Freunden der Opfer sein Mitgefühl ausgedrückt. "Mit schwerem Herzen habe ich davon erfahren, dass viele Menschen auf tragische Weise in den verheerenden Feuern in Athen ihr Leben verloren haben", schrieb Juncker am Dienstag in einem Brief an Premierminister Alexis Tsipras.
Im Namen der EU-Kommission drücke er seine aufrichtige Anteilnahme aus, schrieb Juncker weiter. In diesen schweren Zeiten stehe man Seite an Seite mit den griechischen Behörden und Menschen. Junckers Sprecher veröffentlichte den Brief auf Twitter. Juncker schrieb weiter, die EU werde "keine Mühen scheuen, um Griechenland und dem griechischen Volk zu helfen".
Der zuständige EU-Kommissar Christos Stylianides wollte sich sofort auf den Weg nach Athen machen. Er werde dort die EU-Hilfen koordinieren, die bereits auf dem Weg seien, teilte er mit. Er sei in ständigem Kontakt mit dem griechischen Premierminister Tsipras.
Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich in einem Tweet erschüttert. "Europa wird in diesen schwierigen Zeiten an der Seite unserer griechischen Freunde stehen. Hilfe aus mehreren EU-Ländern ist auf dem Weg."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schickte ein Kondolenztelegramm an Tsipras. "Das Leid der betroffenen Menschen berührt uns alle", schrieb sie und bot Deutschlands Hilfe an. Auch aus anderen Ländern wie Portugal, Mazedonien, Bulgarien, Israel und der Türkei kamen Hilfsangebote.
Papst betet für Opfer
Papst Franziskus hat den Opfern der Waldbrände in Griechenland und der Staudammkatastrophe in Laos seinen geistlichen Beistand zugesichert. Er bete für alle Toten und ermutige die Hilfskräfte bei ihren Einsätzen, heißt es in einem laut Kathpress am Dienstag vom Vatikan veröffentlichten Schreiben.
Erste EU-Katastrophenhelfer eingetroffen
Am Dienstagabend sind erste Einsatzkräfte aus dem EU-Katastrophenschutz in Griechenland angekommen. Dabei handelte es sich um 64 Helfer aus Zypern, wie ein Sprecher der EU-Kommission sagte. Weitere Länder sicherten Hilfe zu, darunter Spanien, Bulgarien, Italien, Kroatien und Portugal. Sie werden - falls nötig - Löschflugzeuge, Einsatzkräfte, Ärzte oder Fahrzeuge senden.