In Schweden ist am Sonntag ein Gesetz in Kraft getreten, das Geschlechtsverkehr ohne ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten als Vergewaltigung einstuft. Damit ist es für eine Anklage wegen Vergewaltigung nicht mehr erforderlich, "dass Gewalt oder Drohungen eingesetzt wurden oder der Angreifer die besonders verletzbare Lage des Opfers ausgenutzt hat", wie die schwedische Regierung erläuterte.
Im Mai verabschiedet
Bei Vergewaltigungsprozessen müssen die schwedischen Richter nun prüfen, ob bei dem Geschlechtsverkehr die Beteiligten ihr Einverständnis durch Worte, Gesten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht haben. Das Gesetz war im Mai mit Unterstützung der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen verabschiedet worden.
Richterin Anna Hannell, die an der Ausarbeitung des neuen Gesetzes beteiligt war, erläutere, es bestehe "absolut keine Erfordernis, formell 'ja' zu sagen, einen Knopf in einer App zu drücken oder irgendetwas anderes dieser Art". "Sich einfach körperlich zu beteiligen, ist ein Zeichen der Zustimmung", sagte die Juristin der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Kritiker machen geltend, dass Richter auf Grundlage des neuen Gesetzes willkürliche Entscheidungen in Vergewaltigungsprozessen treffen würden.
Vergewaltigung wird in Schweden mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft, bei minderjährigen Opfern sind bis zu zehn Jahre Haft für den Täter möglich. Vergangenes Jahr wurden in Schweden nach offiziellen Angaben mehr als 7.000 Vergewaltigungsfälle gemeldet und damit zehn Prozent mehr als 2016.
#MeToo-Debatte
Die in den USA losgetretene #MeToo-Debatte über sexuelle Übergriffe wird in Schweden, in dem die Gleichberechtigung von Frauen besonders weit voran gebracht worden ist, in vielen Bereichen geführt. Mehr als 10.000 Frauen in dem skandinavischen Land, darunter Schauspielerinnen, Musikerinnen, Journalistinnen, Juristinnen und Ärztinnen, beteiligten sich an der Kampagne gegen sexuelle Übergriffe. Auch die Schwedische Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt, wurde von einem Missbrauchsskandal erschüttert.
"#MeToo ändert die Verhaltensweisen und die Leute verstehen jetzt, wie verbreitet sexuelle Gewalt ist", erklärte Ida Ostensson von der Stiftung Make Equal, die sich maßgeblich für das neue Vergewaltigungsgesetz eingesetzt hatte. Nun gebe es "endlich eine Gesetzgebung, die die körperliche und sexuelle Integrität schützt". Der schwedische Anwaltsverband sieht die Reform hingegen kritisch.