Ali B., der die 14-jährige Susanna in der deutschen Stadt Wiesbaden vergewaltigt und getötet haben soll, war zum Tatzeitpunkt vermutlich bereits 21 Jahre alt. Damit gälte er vor Gericht nicht mehr als Heranwachsender und müsste im Falle einer Verurteilung mit einer deutlich härteren Strafe rechnen, teilte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden am Dienstag mit.
Iraker in U-Haft
Die neue Altersangabe ergebe sich unter Vorbehalt aus Informationen des irakischen Generalkonsulates in Frankfurt am Main, sagte Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn. Der irakische Flüchtling hatte nach der Tat die Flucht in den Irak ergriffen, wurde dort aber festgenommen und am Samstag im Beisein von Bundespolizisten mit dem Flugzeug wieder nach Deutschland gebracht. Bei seiner Vernehmung gestand er, das aus Mainz stammende Mädchen umgebracht zu haben, bestritt aber eine Vergewaltigung. Er sitzt in Frankfurt in Untersuchungshaft.
Nach mündlicher Auskunft des Konsulates wurde Ali B. im März 1997 geboren und nicht wie zunächst angenommen im November 1997, sagte der Staatsanwalt. Dem Konsulat lägen entsprechende Ausweisdokumente vor. Da der Staatsanwaltschaft bisher noch nichts schriftlich vorliege und die Informationen nicht überprüft worden seien, stünden sie noch unter Vorbehalt.
Falls die Auskunft stimmt, wäre der Iraker zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Tat nicht wie bisher angenommen 20 Jahre alt gewesen. Dies hätte "für ihn erhebliche Folgen für das Verfahren", sagte der Staatsanwalt. Bei einem Täter von 20 Jahren hätte das Gericht prüfen lassen können, ob er wegen "Reifemängeln" noch nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann, erläuterte Oberstaatsanwältin Christina Gräf. Das geht mit 21 Jahren nicht mehr - Ali B. müsste bei einer vollen Mordverurteilung mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.
Bei der Ermittlungsarbeit der Polizei in dem Fall sieht die Staatsanwaltschaft unterdessen keine Versäumnisse der Polizei Wiesbaden. Zur Arbeit der Polizei Mainz könne sie sich aber nicht äußern, sagte Gräf. Die Polizeiarbeit sei am Rande Gegenstand der Ermittlungen.
Der Fall Susanna sorgt seit Tagen deutschlandweit für Aufsehen, auch Kritik an der Polizeiarbeit wurde laut. Eine der Fragen ist, ob die Polizei die Leiche schneller hätte finden können, wenn sie direkt umfassender nach dem Mädchen gesucht hätte.
Ali B. wird verdächtigt, die 14-jährige Susanna am Abend des 22. Mai oder in der darauffolgenden Nacht vergewaltigt und umgebracht zu haben. Am Tag darauf meldete die Mutter die Schülerin in ihrem Wohnort Mainz als vermisst. Am 29. Mai sagte eine Bekannte von Susanna der Mutter, dass ihre Tochter tot sei und ihre Leiche an einem Bahngleis in Wiesbaden liege. Einen Tag später (30. Mai) übernahm die Polizei Wiesbaden dann federführend die Ermittlungen von ihren Kollegen aus Mainz. Am 6. Juni wurde Susannas Leiche gefunden. Ali B. war bereits Tage zuvor mit seiner Familie in den Irak geflohen.
Das genaue Obduktions- und das Auswertungsergebnis möglicher DNA-Spuren dauere noch einige Tage, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Nach der Vernehmung von Ali B. müssten seine Aussagen auch mit Spuren an der Leiche abgeglichen werden. Ali B. hatte unter anderem ausgesagt, dass er aufgrund von Verletzungen im Gesicht von Susanna, die infolge eines Sturzes entstanden sein sollen, befürchtet habe, dass das Mädchen die Polizei informieren werde. Dies sei sein Motiv gewesen, sie umzubringen. Wann sich Ali B. vor Gericht für die ihm zur Last gelegte Tat verantworten muss, ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch unklar.
Unterdessen sind bei den Ermittlungen gegen Ali B. die Angaben zur Staatsangehörigkeit eines weiteren mutmaßlichen Opfers des Mannes korrigiert worden. Eine Elfjährige, die nach eigenen Angaben im März von einem Mann aus B.s Unterkunft vergewaltigt worden war, sei Deutsche, sagte ein Sprecher der Wiesbadener Staatsanwaltschaft am Montagabend. Bisher war angenommen worden, das Mädchen sei ebenfalls ein Flüchtling. Grundlage waren Äußerungen des Wiesbadener Polizeipräsidenten Stefan Müller vom vergangenen Donnerstag gewesen.
Müller hatte gesagt, der Name Ali B.s sei auch im Zusammenhang mit der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens aus der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim gefallen. Das Opfer habe angegeben, von einem Mann namens Ali aus der Unterkunft vergewaltigt worden zu sein. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten lassen. Es habe keine Gründe für eine Inhaftierung gegeben.
Schwierige Aufarbeitung
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, es gehe um einen nicht bewiesenen Vorwurf. Demnach war der Fall, der sich im März zugetragen haben soll, erst im Mai bekanntgeworden worden. Der Hinweis sei nicht von der Elfjährigen selbst, sondern von den Eltern gekommen. "Die Geschichte krankt bisher daran, dass wir keine Aussage von ihr haben, weil sie keine Angaben macht." Das erschwere die Aufarbeitung massiv. Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl für Ali B. seien nicht vorhanden gewesen.
Susanna wurde am Dienstag in einer privaten Trauerfeier auf dem jüdischen Friedhof in Mainz beigesetzt. Die Polizei und die Verwaltung des Mainzer Hauptfriedhofs bestätigten einen entsprechenden SWR-Bericht. Es seien rund 100 Trauergäste anwesend gewesen, sagte Polizeisprecherin Kirsten Feldmann, darunter auch Gäste im Alter der getöteten Jugendlichen - vermutlich aus ihrem Freundeskreis.