Supermarktkunden stürzen sich wie von Sinnen auf Nutella-Gläser und Pampers-Packungen mit 70 Prozent Rabatt: Solche Bilder aus Frankreich haben in den vergangenen Tagen für Verblüffung und Heiterkeit gesorgt. Doch "Nutella-Gate" hat ein Nachspiel: Die Regierung in Paris will Rabattschlachten einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Gegen die Supermarktkette Intermarche wird wegen Betrugs ermittelt.

Handyvideos zeigen Frauen und Männer, die in Supermärkten handgreiflich werden, um sich palettenweise Nutella-Gläser für 1,41 Euro zu sichern oder ihren Einkaufswagen mit Pampers-Packungen für 7,18 Euro vollzuladen. "Die Leute sind übereinander hergefallen und haben alles umgestoßen", sagte die Angestellte eines Supermarktes am ersten Tag der Nutella-Aktion in Forbach in Lothringen.

Ähnliche Szenen spielten sich diese Woche unter anderem in Metz westlich von Saarbrücken ab, wie Lokalzeitungen berichten. Dort gab es die Windeln 70 Prozent billiger.

Die Satirezeitung "Le Canard enchaîne" erinnert daran, dass die Französische Revolution 1789 mit Schlangen vor den Bäckereien begann: "Das Volk wollte Brot. Jetzt will es Nutella drauf." Auch die sozialen Netzwerke quellen über vor Spott: "Wer seinem Baby Nutella gibt, muss natürlich auch viele Windeln kaufen", ätzt eine Frau auf Twitter.

Nutella-Tumulte und Pampers-Hysterie haben die französische Regierung auf den Plan gerufen. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zitierte den Chef der Supermarktkette Intermarche zu sich und verlangte ein Ende der Sonderangebote. "Wir können nicht alle vier Tage solche Szenen in Frankreich haben", mahnte Le Maire.

Landwirtschaftsminister Stéphane Travert stellte im Kabinett einen Gesetzentwurf gegen "Preiskriege" vor. Denn was die Kunden freut, ärgert die Landwirte. Sie klagen wie auch in Deutschland über extremen Preisdruck durch die Großhandelsketten. Nach dem neuen Gesetz müssten Supermärkte ihre Produkte künftig mindestens zehn Prozent über Einkaufspreis verkaufen. Auch Aktionen nach dem Motto "Zwei Produkte zum Preis von einen" seien künftig tabu, betont Travert.

Bisher gibt es in Frankreich lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung der großen Einzelhandelsketten, auf Rabattschlachten zu verzichten. Doch immer wieder versuchen die französischen Großhändler, ihre Kunden mit extremen Preisnachlässen in ihre Hypermärkte am Stadtrand zu locken.

Das liegt auch an dem schwierigen Marktumfeld: Die Grenzen des Wachstums scheinen erreicht, die Supermarktkette Carrefour als einer der größten privaten Arbeitgeber des Landes hat gerade erst die Streichung von insgesamt 3.600 Stellen in Frankreich und Belgien angekündigt. Einzelhandelsverbände beobachten eine Rückkehr der Kunden in Lebensmittelläden um die Ecke und einen Trend zum Einkauf in Bioläden oder bei Kooperativen.

Intermarché muss derweil ein Nachspiel fürchten: Die Anti-Betrugsbehörde hat Ermittlungen aufgenommen. Bei der Supermarktkette sieht man die Aufregung aber offenbar gelassen: Die Preisaktion "Die vier billigsten Wochen in Frankreich" ist in vollem Gang. Die Anzeigen für einen 70-Prozent-Rabatt auf Espresso hängen bereits.