Bis zum 24. Juli 2010 stand der Name Loveparade für kollektives Zelebrieren, für Fröhlichkeit und Lust am Leben. 1989 war das Musikfestival, das von Beginn an das Prinzip Dezibel in den Mittelpunkt rückte, mitten in Berlin und aus einer Laune heraus erstmals veranstaltet worden. In den Jahren danach wurde es zu einem Ereignis für Hunderttausende. In Duisburg fand die Technoparade ein jähes, tragisches Ende. Nun, gut sieben Jahre später, wird die Katastrophe vor einem Strafgericht verhandelt.
Wo eben noch Feierlaune vorherrscht, gerät die Situation im Sommer 2010 völlig außer Kontrolle: Viel zu viele Menschen – berichtet wird von mindestens sechs Personen pro Quadratmeter – drängen sich am einzigen Ein- und Ausgang. Besucher werden auf dem Gelände des einstigen Hauptgüter- und Rangierbahnhofs niedergetrampelt und erdrückt. 21 Menschen sterben, über 660 werden verletzt. Dazu kommen verborgene Blessuren: Bei der Loveparade-Stiftung melden sich bis heute traumatisierte Menschen, die das Unglück psychisch aus der Bahn warf.
Peinsames Gezerre
Heute beginnt ein Mammutverfahren, dem ein jahrelanges juristisches Tauziehen voranging. Erst heuer wurde klar, dass das Geschehene auch in einem Strafprozess aufgerollt wird. Das Landgericht hatte die Anklage gegen zehn Beschuldigte zunächst nicht zur Verhandlung zugelassen – mangels Erfolgsaussichten, wie es hieß. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger legten Beschwerde ein. Peinsames Gezerre um die Suche nach Schuldigen: Genehmigungen, Planung, Abwicklung – wer trägt Verantwortung?
Die Ausmaße des Verfahrens sind enorm. Das Gericht zog für den Prozess in eine Messehalle, 600 Sitzplätze sind vorgesehen. Auf der Anklagebank sitzen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters. Sie werden von 24 Anwälten verteidigt, vorgeworfen wird ihnen unter anderem fahrlässige Tötung. Adolf Sauerland, damaliger Oberbürgermeister, nannte Rücktrittsforderungen „nachvollziehbar“, wurde aber erst 2012 durch ein Bürgerbegehren der Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“ abgewählt.
Die Zeit drängt
Auch ein Urteil im Prozess könnte den Neustart erleichtern. Die Zeit drängt indes: Das letzte Opfer verstarb am 28. Juli 2010 – die absolute Verjährungsfrist läuft daher spätestens mit dem 27. Juli 2020 ab.