Bis zu vier Jahre Haft oder maximal 32.500 Euro Strafe. Das droht jemandem, der in Kenia ein Plastiksackerl nutzt. Das ostafrikanische Land hat jüngst eines der strengsten Verbote weltweit eingeführt. Damit schließt sich Kenia rund 40 anderen Ländern an, die gegen eines der größten Umweltprobleme weltweit vorgehen wollen: Plastikmüll. Doch lässt sich die Bedrohung so effektiv bekämpfen?

"Die Plastikverschmutzung in den Ozeanen ist jenseits von Gut und Böse", sagt Sam Barratt, der Leiter öffentlicher Kampagnen beim UN-Umweltprogramm (UNEP). Mindestens acht Millionen Tonnen Plastikmüll landen der UN zufolge jährlich in den Ozeanen. Meerestiere verheddern sich oder verschlucken den Müll. Auch zerfällt das Material und bildet Mikroplastik, Kunststoff-Teilchen die sich später auch in Trinkwasser und Nahrungsmitteln wiederfinden. Bis 2050 werde sich der Plastikmüll in den Meeren verzehnfachen, warnt Barratt. Die Bedrohung wird auch beim UN-Umweltgipfel in Nairobi vom 4. bis 6. Dezember großes Thema sein.

Zu der seit 2012 bestehenden UN-Umweltversammlung werden rund 2.500 Teilnehmer erwartet - neben den Ministern auch Firmenchefs, Wissenschafter und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Geplant ist eine politische Erklärung gegen die allgemeine Umweltverschmutzung. Darin sollen sich die UN-Mitgliedstaaten verpflichten, zur Schonung der Umwelt die Anzahl von Chemieprodukten, nicht biologisch abbaubaren Abfällen und giftigen Dämpfen zu begrenzen.

Einweg-Plastik ist bequem

"Einweg-Plastik ist einfach so bequem, dass die Welt vergessen hat, die Folgen des Kunststoffs mit einzupreisen", sagt Barratt. Das Plastiksackerl ist dabei einer der größten Übeltäter. Bis vor kurzem war es in Kenia fester Bestandteil des Lebens, vom Einkauf im Supermarkt oder im Straßenverkauf bis zur praktischen Tragetasche und sogar als Toilette in den Slums. Etwa 100 Millionen Stück wurden der kenianischen Umweltbehörde Nema zufolge jährlich ausgeteilt. Die Sackerln landeten in Bäumen und auf Straßen, in Abflüssen und an Stränden.

Etliche Staaten haben inzwischen Maßnahmen gegen Plastikmüll ergriffen. Einige Industrieländer haben eine Steuer eingeführt. In Großbritannien kostet ein Sackerl nun fünf Pence (etwa sechs Cent), was die Nutzung um etwa 80 Prozent verringert hat. Doch in Entwicklungsländern mit einer großen informellen Wirtschaft würde demnach eine Steuer nicht funktionieren. "Ein Verbot ist eine harte aber sehr effektive Maßnahme", meint Barratt.

Vorbild Ruanda

Das hat bereits Ruanda gezeigt. Der ostafrikanische Staat ist inzwischen berühmt für seine sauberen Straßen, schon am Flughafen werden Besuchern jegliche Plastiksackerln abgeknöpft. Im Nachbarland Kenia wurde nach einem jahrelangen Tauziehen und zwei Anläufen endlich im August die Nutzung, Herstellung und der Import untersagt. Und dies entgegen Zweifler und Widerstands der Industrie.

Doch was nun? Das Sackerl ist nur ein Teil des Problems. In Kenia wird gemunkelt, dass die hartnäckige Umweltministerin Judi Wakhungu bereits ein Verbot von Plastikflaschen anvisiert. Dies durchzusetzen wird wohl ein harter Brocken. Allerdings habe der Sackerlbann in Kenia den Privatsektor dazu animiert, die Nutzung von Plastik zu verringern, sagt Barratt.

Verbote lösen Problem nicht

"Lediglich eine ganze Art von Behältern zu verbieten, wird das Problem nicht lösen", so eine Sprecherin von Coca Cola in Kenia. Das Unternehmen kooperiert demnach aber derzeit mit dem Verband kenianischer Hersteller und der Regierung, um eine effiziente Abfallentsorgung und ein Recycling-System zu entwickeln.

Denn darin liegt wohl die größte Herausforderung für Entwicklungsländer wie Kenia. Was in Europa selbstverständlich ist - systematische Mülltrennung, Abfallentsorgung und Recycling - ist in Kenia noch Zukunftsmusik. Zwar wird derzeit Plastikmüll im informellen Sektor und von einigen Privatunternehmen teilweise gesammelt und wiederverwertet. Doch die Kosten von Recycling seien derzeit noch weitgehend untragbar, erklärt Umwelt-Aktivist Dipesh Pabari. "Noch gibt es nicht genug Anreiz, um im großen Stil mit der Nutzung von wiederverwertetem Plastik zu beginnen."

Wiederverwendung

Um zu zeigen, was mit recyceltem Plastik alles möglich ist, baut Pabari mit der Initiative FlipFlopi auf der kenianischen Insel Lamu ein etwa 18 Meter langes Segelboot aus wiederverwertetem Kunststoff. Für die Dau - ein traditionelles Boot - werden demnach 45 bis 60 Tonnen Plastikmüll verwendet, der für das Projekt in einer eigenen Fabrik recycelt wird. 200.000 an den Stränden angespülte bunte Flip-Flops werden den Rumpf des Schiffes verzieren. Mit der Dau wollen die Aktivisten von Kenia nach Südafrika segeln.

Das Segelboot soll zum Umdenken animieren, wie Pabari sagt. "Wir wollen neu definieren, was wir Menschen alltäglich nutzen, wie wir es nutzen und wie wir es wegwerfen." Durch das jüngste Verbot seien Kenianer gezwungen worden, sich ein Leben ohne Plastiksackerl vorzustellen. Die ultimative Vision sei es, eine Welt ganz ohne Einweg-Plastik zu schaffen.