Nach dem Fund einer mutmaßlichen Paketbombe in der Potsdamer Innenstadt am Freitag gab eine überraschende Wende in dem Fall: Den Ermittlungen zufolge handelt es sich um eine Erpressung des Paketdienstes DHL. Das sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter am Sonntag in Potsdam. Die Polizei hielt weitere derartige Sendungen für wahrscheinlich.
Täter verlangen Millionensumme
Damit sei klar, dass die Bedrohung mit an "Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt der brandenburgischen Landeshauptstadt gegolten habe. Der oder die Täter verlangen nach Angaben Schröters eine Millionensumme. Eine ähnliche Lieferung war vor einiger Zeit in Frankfurt/Oder aufgetaucht.
Experten rekonstruierten den Inhalt des Pakets und setzten einen Zettel mit einem sogenannten QR-Code wieder zusammen. Solche Codes können kostenlos im Internet erstellt und dann mit Smartphones gescannt werden, wodurch weitere Informationen abrufbar werden. In dem Fall der Potsdamer Paketbombe verbarg sich hinter dem Code das Erpresserschreiben gegen DHL.
Der oder die Täter stammen den Angaben zufolge vermutlich aus dem Raum Berlin/Brandenburg. Ermittelt wird nun wegen versuchter räuberischer Erpressung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
"Weitere solcher Sendungen sind nach jetzigem Ermittlungsstand wahrscheinlich", warnte der brandenburgische Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. "Die Täter nehmen bewusst die Schädigung von Leben und Gesundheit von Menschen in Kauf."
Paket bei Apotheke abgegeben
Sprengstoffexperten der Bundespolizei hatten am Freitag ein Paket unschädlich gemacht, das in einer Apotheke mitten in der Potsdamer Innenstadt und direkt am Weihnachtsmarkt abgegeben worden war. Der Apotheker habe beim Aufmachen ein Zischen gehört, hieß es. Die Sendung wurde von einem Postzustelldienst zugestellt, darin befanden sich eine Blechbüchse mit Nägeln, Batterien sowie Drähte und ein verdächtiges Pulver, außerdem ein Feuerwerkskörper. Dass es keine Explosion gab, sei offenbar einem glücklichen Zufall zu verdanken, sagte Innenminister Schröter. Wenn der Sprengsatz "zur Umsetzung gekommen wäre, hätte er schwere Verletzungen" zur Folge gehabt.
Die Potsdamer Paketbombe wurde nach Ermittlungen der Polizei in einer DHL-Packstation in der Stadt aufgegeben. Die Fahnder suchen jetzt Zeugen, die am vergangenen Donnerstag gegen 7.00 Uhr an der Kantstraße Ecke Roseggerstraße verdächtige Beobachtungen gemacht haben, hieß es in einem Fahndungsaufruf. Zudem werden alle Personen gesucht, die dort zwischen 6.30 Uhr und 7.15 Uhr Pakete aufgegeben haben. Die Packstation befindet sich unweit der berühmten Potsdamer Parklandschaft mit dem Schloss Sanssouci.
Die Sicherheitsbehörden halten weitere Sendungen dagegen für möglich oder sogar wahrscheinlich, wie Brandenburgs Polizeipräsident Mörke sagte. Betroffenen seien bisher vor allem kleine Unternehmen. Auch die Sendung an Privatpersonen sei aber nicht auszuschließen, hieß es.
Keine Stellungnahme von DHL
Der von der Erpressung betroffene Paketdienst DHL will zu dem Fall derzeit keine Stellung nehmen. Der zur Deutschen Post gehörende Paketdienst hatte im vergangenen Jahr als Marktführer 1,2 Milliarden Pakete in Deutschland zugestellt. Am Spitzentag im Weihnachtsgeschäft waren es 8,4 Millionen Pakete.
Laut Brandenburger Polizei soll man bei unbekannten oder fehlenden Absendern vorsichtig sein, hieß es am Sonntag. Auch handgeschriebene und schlecht leserliche Adressen oder Adressen, die nicht am üblichen Platz stehen, könnten auf eine gefährliche Sendung hindeuten. Ebenso auffällige Rechtschreibfehler, Flecken oder Verfärbungen an dem Paket. Herausragende Drähte seien ein weiteres Alarmsignal, hieß es. Entsprechende Sendungen sollten keinesfalls geöffnet werden. Stattdessen sollten Empfänger sofort die Polizei verständigen.
Für die Fahndung setzte die Polizei eine Ermittlungsgruppe "Luise" ein - benannt nach der Apotheke, an die das Paket geschickt worden war. In der Gruppe arbeiten rund 25 Kriminalisten. Ermittelt werde wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchter schwerer räuberischer Erpressung, sagte der Leitende Potsdamer Oberstaatsanwalt Heinrich Junker.
Die Erpressung erinnere laut Schröter an den Fall "Dagobert". Der Kaufhauserpresser hatte vor allem Anfang der 1990er-Jahre ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei betrieben, bevor er gefasst wurde. "Ich hoffe, wir sind schneller erfolgreich", sagte Schröter. Der Fall "Dagobert" gilt als einer der aufwendigsten Erpressungsfälle in der deutschen Kriminalgeschichte.