Karissa Lindstrand war bereits fünf Stunden mit dem Zusammenbinden der Hummer-Scheren auf einem Fischerboot vor der Küste Kanadas beschäftigt, als ihr ein rot-blaues Logo auffiel. Da die junge Kanadierin gerne Pepsi aus Dosen trinkt, war ihr sofort klar: Das ist ein Pepsi-Logo. Auf dem zweiten Blick sah es aus wie ein Tatoo. Ihr Foto ging durch die Medien und ließ die Diskussion über die unvorstellbaren Mengen an Plastikmüll in den Meeren wieder aufflackern. Wie das Pepsi-Logo auf die Hummer-Schere kam, bleibt weiter unklar. Matthew Abbott, von der Naturschutzbehörde in New Brunswick, sagte gegenüber CBC News, dass das Foto ein Beweis dafür sei, wie verbreitet menschlicher Müll ist. "Dort wo der Hummer gelebt hat, ist der Müll sogar in die tiefsten Gewässer eingesickert."

Wie der Guardian berichtet, sollen zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren schwimmen - bald soll es mehr Müll als Fische geben. Der junge Niederländer Boyan Slat will dagegen vorgehen.

Niederländer startet mit dem Saubermachen

Die Idee ist so einfach, dass sie fast schon genial ist: Mit gigantischen Fangarmen will er die Weltmeere von Plastik befreien. Im Mai 2018 soll das Projekt "The Ocean Cleanup" starten. "Die Zeit drängt", sagt der 23-jährige in Delft. In der alten Porzellan- und Universitätsstadt ist die Zentrale des Projekts.

Boyan Slat
Boyan Slat © APA/AFP/ANP/REMKO DE WAAL

"Plastikmüll verschwindet nicht einfach", erklärt der Niederländer mit dem dunklen Lockenkopf, der für das Projekt sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnologie vorerst aufgegeben hat. "Kleinste Plastikteile gelangen in die Nahrungskette und irgendwann auch auf unseren Teller."

Mehr Plastik als Fische

Begonnen hatte alles, als Boyan Slat 16 Jahre alt war: Beim Tauchen in Griechenland sah er im Wasser "fast mehr Plastik als Fische". Das erschreckte ihn so, dass er eine erste Anlage entwickelte. Seine Idee erregte international Aufmerksamkeit und über Crowdfunding kam schließlich genug Geld für den Projekt zusammen. Bisher sind es rund 31,5 Millionen US-Dollar. Unterstützt wird das Vorhaben von zahlreichen Universitäten und Unternehmen.

Inzwischen wurde die Anlage perfektioniert: Zwei Kunststoffrohre von je 600 Metern Länge werden zu einem gigantischen "U" gekoppelt, nach unten reicht eine Art Vorhang zum Abfangen des Mülls. "Eigentlich bauen wir eine Art künstliche schwimmende Küstenlinie", erklärt Slat. Der Müll wird angeschwemmt und kann eingesammelt werden. Verankert wird das System in etwa 500 Meter Tiefe, wie der junge Erfinder sagt.

Ein Prototyp wird bereits vor der niederländischen Nordseeküste getestet, er hielt bisher selbst heftigen Stürmen stand. "Bisher stehen alle Signale auf grün." Im Februar soll die Anlage an der Küste bei San Francisco zusammengebaut werden, die Generalprobe ist dann für März/April angesetzt.

Müllfänger wird installiert

Im Mai dann will das Team von Boyan Slat den riesigen Müllfänger zum Nordpazifikwirbel - dem sogenannten Great Pacific Garbage Patch (dt. Großer Pazifikmüllfleck) - schleppen. Und dort muss er sich beweisen. Das zwischen Kalifornien und Hawai liegende Gebiet gehört zu den fünf größten Strömungswirbeln weltweit, in denen sich Müll sammelt.

Verpackungen, Flaschen, Sackerln - gigantische Mengen Plastik verschmutzen die Weltmeere. Wie viel es genau ist, weiß keiner genau. Schätzungen gehen von bis zu 150 Millionen Tonnen aus. Die EU-Kommission hat Zahlen gesammelt: Demnach wurden 2015 weltweit etwa 322 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Davon gelangen zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen pro Jahr in die Umwelt, ein Großteil ins Meer.

Das Umweltbundesamt schätzt, dass es bis zu 450 Jahre dauert, bis sich eine Kunststoffflasche zersetzt hat. Die Folgen für die Umwelt beschreibt der Naturschutzbund (NABU) so: "Die Überbleibsel unserer Wegwerfgesellschaft kosten jedes Jahr bis zu 100.000 Meeressäuger und eine Million Meeresvögel das Leben." Und das sind lediglich die sichtbaren Folgen: Es können auch giftige Stoffe aus dem Plastik in die Nahrungskette gelangen.

Kritische Stimmen

Doch gibt es zum Projekt Großreinemachen von Boyan Slat auch kritische Stimmen: "The Ocean Cleanup" beseitige nur die Symptome, nicht die Ursachen, geben Umweltschützer zu bedenken. Lieber solle verhindert werden, dass weiter Plastik in die Ozeane gelangt. "Es ist doch nicht entweder oder", sagt Slat dazu. "Man muss beides tun."

Meeresbiologen fürchten zudem, dass sich in der Anlage Meerestiere verfangen und getötet werden könnten. Die Gefahr sei sehr gering, sagt dazu das Team von "The Ocean Cleanup" mit Verweis auf entsprechende Analysen. "Wir haben ja kein Schleppnetz", sagt Slat.

Wenn alles glatt läuft, sollen 60 Anlagen installiert werden. "Wir können in fünf Jahren die Hälfte des Mülls aufräumen", ist der junge Erfinder überzeugt. Er sieht es bereits vor sich: Vier, fünf Schiffe könnten als "Müllwagen der Weltmeere" zu den Anlagen fahren und das Sammelgut zur weiteren Verarbeitung an Land bringen.

"Wir haben die Technik und die Mittel", sagt Slat zuversichtlich. "Nun müssen wir natürlich noch beweisen, dass es auch funktioniert." Er selbst wird beim Start im Mai allerdings nicht dabei sein. "Ich werde seekrank."