Wie die norwegische Zeitung Aftenposten berichtet, kamen in den letzten Tagen in Norwegen mindestens 106 Rentiere bei Kollisionen mit Zügen um. Die Tiertragödie ereignete sich südlich von Mosjøen in der Provinz Nordland.

"Es ist eine Tragödie für mich und die drei anderen Rentierbesitzer", sagt Torstein Appfjell gegenüber der Zeitung. Er war einer der betroffenen Besitzer, dessen Tiere von einem Zug der Nordlandsbanen nieder gemäht wurde.

Die tödliche Überquerung zog sich über mehrere Tage: 25 Tier verendeten am Mittwoch, 15 am Donnerstag und in der Nacht auf Samstag waren es 65 Tiere, die von Zügen tödlich verletzt wurden.

"Ich bin so in Wut, dass ich einen Schwindelanfall bekommen habe", sagte der Besitzer der zuletzt dezimierten Rentierherde, Ole Henrik Kappfjell, dem Sender. "Das ist ein Alptraum, den wir heute erleben", sagte er gegenüber den norwegischen Sender NRK und sprach von "einer sinnlosen Tiertragödie".

Bahn sollte langsam fahren

Die Rentiere sind derzeit auf ihrer Reise ins Winterquartier. Die Besitzer, die ihre Tier per GPS orten können, hatten im Vorfeld beim Eisenbahninfrastruktur-Dienstleister Bane Nor den bevorstehenden Transit über die Zugstrecke angekündigt. Dort sagte man zu, dass die Güterzüge langsam fahren würden, um Kollisionen zu vermeiden. "Diese Bescheid kam aber nie beim Lokführer an", sagt Appfjell. Bei der Bane Nor bedauert man den Vorfall und kündigt Entschädigungen an.

Für Appfjell ist der Tod der Tiere eine Katastrophe: "Rentiere sind etwas ganz Spezielles für uns, die wir uns damit beschäftigen. Sie bedeuten fast alles für uns und die Tiere bilden die Grundlage unserer Existenz. Ein so großer Einschnitt in unsere Rentierherde ist eine Katastrophe."

"Blutbad auf mehreren Kilometern"

Die Folgen dieses jüngsten Zugunfalls mit einer Rentierherde hielt der Dokumentarfilmer Jon Erling Utsi fest. Auf den Bildern sind die verrenkten Kadaver in blutgetränktem Schnee zu sehen. Einige verletzte Tiere mussten erschossen werden. Auch Erling sprach auf NRK von einem "Alptraum" und einem "Blutbad auf mehreren Kilometern".

An der betreffenden Zugstrecke wurden zwischen 2013 und 2016 bereits mehr als 2.000 Rentiere tot gefahren. Die Herdenbesitzer fordern vom Streckenbetreiber, dass er einen Schutzzaun aufstellt. Wer den Bau bezahlen soll, ist aber umstritten.

In Norwegen leben rund 250.000 Rentiere halb wild, die meisten von ihnen im hohen Norden des Landes. Derzeit werden die Herden in ihre Überwinterungsgebiete geführt. Die Wanderungen sind gefährlich, Zusammenstöße der Tiere mit Autos oder das Ertrinken bei dem Durchqueren von Gewässern sind keine Seltenheit.