Nach dem Tod des Mafia-Paten Salvatore Riina in der Nacht auf Freitag warnen die italienischen Ermittler vor einem Nachfolgekrieg an der Spitze der Cosa Nostra, der Mafia auf Sizilien. "Wir werden genau die Lage unter Kontrolle halten", sagte der scheidende italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt, Franco Roberti.
"Wahrscheinlich hat die Suche nach einem Nachfolger Riinas bereits begonnen. Gewalttätigkeiten können nicht ausgeschlossen werden", sagte Roberti im Interview mit dem TV-Sender Euronews.
Laut dem italienischen Senatspräsidenten Pietro Grasso, einem ehemaligen sizilianischen Anti-Mafia-Staatsanwalt, habe die Cosa Nostra außerordentliche Fähigkeiten, sich an neue Situationen anzupassen. "Mit Riinas Tod beginnt eine Übergangsphase, eine Phase der Neuorganisation. Wir müssen die Situation genau beobachten", mahnte Grasso. Laut dem italienischen Außenminister Angelino Alfano sei Italien nach Riinas Tod ein besseres Land. Seine Gedanken seien bei den Mafia-Opfern und ihren Familien, sagte der aus Sizilien stammende Politiker.
Seit 1993 in Haft
Auch wenn er seit 1993 in Haft saß, zählte Riina immer noch zu den Spitzenfiguren der Cosa Nostra. Die sizilianischen Mafia-Bosse sahen ihn noch als ihren Chef an. Dieser hatte nie Reue für seine unzähligen Morde gezeigt. Der wegen seiner brutalen Vorgehensweise auch "Bestie" genannte Riina hatte unter anderem die Ermordung der Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992 angeordnet.
Als meistgesuchter italienischer Mafioso zählt weiterhin der Boss MatteoMessina Denaro, der seit 21 Jahren auf der Flucht ist und dem mindestens 50 Morde zur Last gelegt werden. Den ersten soll er mit 18 Jahren begangen haben. Der Mafia-Boss liebt Luxusautos, Golduhren und Markenkleidung. Mit 14 Jahren soll er begonnen haben, mit Pistolen zu schießen. Messina Denaro hatte nach der Festnahme des inzwischen verstorbenen Paten Bernardo Provenzano im Jahr 2006 begonnen, die Kommandozentrale neu aufzubauen. Er sei dabei trotzdem von anderen Mafia-Chefs daran gehindert worden, die komplette Macht über die Cosa Nostra zu erlangen, heißt es in Ermittlerkreisen.
Am Samstag wurde die Leiche des in einem Gefängnistrakt des Krankenhauses von Parma gestorbenen Riinas obduziert. Danach soll sie nach Sizilien überführt werden. Eine öffentliche Beerdigung wird es für den Mafia-Boss nicht geben, berichtete der Sprecher der italienischen Bischofskonferenz CEI, Ivan Maffeis. Lediglich ein privates Gebet sei auf Wunsch der Familie möglich. Der Pate soll im Friedhof seines Geburtsortes Corleone bei Palermo beigesetzt werden. Die Behörden wollen verhindern, dass das Grab zum Pilgerort seiner Verehrer werden könnte. Aus dem 11.000-Seelen-Ort Corleone kommen die grausamsten "Paten". Es war die "alte Mafia", die dort Jahrzehnte die öffentliche Ordnung bestimmte.
Inzwischen hat sich auch in Corleone einiges geändert. Die "alte Mafia" familiären Zuschnitts mit ihrem Ehrenkodex, den blutigen Familien-Fehden und ihrem beschränkten Horizont ist längst tot. "Die alte Cosa Nostra ist tot, sie ist vom Kulturwandel, von der Globalisierung, vom Fernsehen und vom Internet besiegt worden. Das Gesetz des Schweigens ist durch Facebook ersetzt worden", kommentierte der General und Präfekt Mario Mori, der 1993 Riina festnahm, im Interview mit der römischen Tageszeitung "Il Tempo". Seit langem hätten die "Bosse" in Sizilien und Neapel den Zug der Zeit erkannt und kooperierten selbst in Italien mit der chinesischen und russischen Mafia, Waffenschiebern aus Albanien oder afrikanischen Schlepperbanden. "Heute ist die Cosa Nostra anderen kriminellen Organisationen weltweit ähnlicher. Sie hat grenzüberschreitende Verbindungen. Sie ist aber schwächer und angreifbarer geworden", sagte Mori.