Die Zahl der Toten durch den Hurrikan "Irma" ist auf mindestens zwölf gestiegen. Während der Wirbelsturm mit unverminderter Wucht durch die Karibik in Richtung Kuba und Florida fegte, wurden mindestens vier Menschen auf den Jungferninseln getötet, wie Behördenvertreter des zu den USA gehörenden Gebiets am Donnerstag mitteilten. Mindestens zwei Todesopfer wurden aus Puerto Rico gemeldet.

In dem US-Außengebiet war mehr als die Hälfte der drei Millionen Einwohner ohne Strom. Angesichts von Überschwemmungen im Zentrum und im Norden der Insel mobilisierte der Gouverneur von Puerto Rico, Ricardo Rossello, die Nationalgarde. Zudem ließ er Notunterkünfte für bis zu 62.000 Menschen einrichten.

Hurrikan-Warnung für Florida

Das Hurrikan-Zentrum in Miami gab am Freitag offizielle Hurrikan-Warnungen aus, die Gebiete im US-Staat Florida sowie auf Haiti, den Bahamas, Kuba und dem britischen Überseegebiet der Turks-und Caicosinseln umfassen. Zu den Gebieten, für die nun die Hurrikanwarnung in Kraft ist, gehörten in Florida unter anderem die Inselkette Florida Keys sowie Lake Okeechobee nordwestlich von Fort Lauderdale und die Florida Bay zwischen dem südlichen Ende des Festlands und den Florida Keys. Bis zu eine Million Menschen erhielten in den Küstengebieten Floridas und des Nachbarstaates Georgia die Anordnung, ihre Häuser zu verlassen. Es war die größte Massenevakuierung seit mehr als einem Jahrzehnt.

Zuvor hatte der Wirbelsturm bereits verheerende Zerstörungen auf den Urlaubsinseln Saint-Martin, Saint Barthelemy und Barbuda angerichtet. Im französischen Teil von Saint-Martin wurden vier Tote und rund 50 Verletzte gezählt. In Sint Maarten, dem niederländischen Teil der Insel, wurde ein Mensch getötet, wie die Regierung in Den Haag bekannt gab. Ein Todesopfer gab es auf Barbuda. Damit stieg die Gesamtzahl der Opfer auf mindestens zwölf.

Trump-Villa in Gefahr

Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie fünf hinterließ auf seinem Weg zerstörte Häuser, überflutete Straßen und entwurzelte Bäume. In den US-Staaten Florida und Georgia wurde eine Million Menschen zum Verlassen ihrer Häuser aufgerufen. Auch das Feriendomizil "Mar-a-Lago" von Präsident Donald Trump könnte von "Irma" heimgesucht werden. Zwei Atomkraftwerke in Florida wurden vorsichtshalber abgeschaltet.

Den USA droht damit innerhalb von zwei Wochen nach "Harvey" der zweite verheerende Hurrikan. Floridas Gouverneur Rick Scott zufolge könnte "Irma" schwerere Schäden anrichten als der Wirbelsturm "Andrew" 1992 - bis heute einer der teuersten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA.

Barbuda ist praktisch unbewohnbar

Die ersten Schadensbilanzen auf den betroffenen Inseln waren verheerend. Die Insel Saint-Martin sei zu "zu 95 Prozent zerstört", sagte der Präsident des französischen Teils, Daniel Gibbs. Die Insel Barbuda sei zu 95 Prozent zerstört und "kaum mehr bewohnbar", sagte der Premierminister des Zwei-Insel-Staats Antigua und Barbuda, Gaston Browne. Er bezeichnete die Insel als "Trümmerhaufen".

Angesichts des heraufziehenden nächsten Hurrikans "José" rief die Regierung die Bewohner auf, Barbuda zu verlassen und auf der Nachbarinsel Antigua Schutz zu suchen. Unterdessen verstärkte sich der Hurrikan "Jose" auf Kategorie 3, wie das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) der USA mitteilte. Der Wirbelsturm befand sich am späten Donnerstag (Ortszeit) etwa 950 Kilometer östlich der Kleinen Antillen und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern inRichtung West-Nordwest.

Luftbrücke in Vorbereitung

Sint Maarten war nach den Worten des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte wegen starker Schäden am Flughafen und am Hafen von der Außenwelt abgeschnitten. Dennoch bereitete die niederländische Luftwaffe eine Luftbrücke für Hilfsgüter vor, ebenso wie die französische Regierung. Großbritannien schickte zwei Kriegsschiffe in die Gegend, um den Opfern zu helfen.

Auch der Nordosten Haitis wurde von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht. Windböen deckten Dächer ab, in der Stadt Ouanaminthe an der Grenze zur Dominikanischen Republik standen die Häuser bis zu 30 Zentimeter unter Wasser, wie der Zivilschutz mitteilte. Zwei Menschen wurden verletzt, als eine entwurzelte Kokospalme auf ihr Haus in der Nähe der Hafenstadt Cap-Haïtien stürzte.

Die Bahamas im Visier

Um 23.00 Uhr (MESZ) befand sich das Auge des Sturms nur wenige Kilometer nördlich von Haiti und bewegte sich auf die Bahamas zu. Viele Menschen hoffen nun, dass die Schäden durch "Irma" in Haiti weniger groß ausfallen als zunächst befürchtet. In der Dominikanischen Republik wurden Windstärken von 285 Stundenkilometern gemessen, rund 5.500 Menschen wurden angesichts des Sturms mit heftigen Regenfällen in Sicherheit gebracht.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten in den kommenden Tagen bis zu 37 Millionen Menschen von den Auswirkungen des Sturms betroffen sein.

Nach dem Durchzug von "Irma" begannen auf den Kleinen Antillen im Südosten der Karibik die Aufräumarbeiten. Vom französischen Übersee-Departement Guadeloupe aus wurden 400 Gendarmen und 400 Feuerwehrleute in das Gebiet geschickt. Zwei Fregatten, zwei Aufklärungsflugzeuge, Transportflugzeuge und Helikopter waren im Einsatz. Der französische Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May vereinbarten eine enge Zusammenarbeit, um das Ausmaß der Zerstörung zu erfassen und die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Macron sagte, dass er so schnell wie möglich in die Region reisen wolle.

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Niederländische Marinesoldaten trafen mit ersten Hilfsgütern auf Sint Maarten ein. Sie sollten helfen, den Flughafen und den Hafen wieder instandzusetzen. Zwei Flugzeuge der niederländischen Streitkräfte mit Hilfsgütern waren unterwegs zu der Insel. Sie hatten unter anderem Trinkwasser und Nahrung für die etwa 40.000 Einwohner an Bord.

7500 Urlauber in Sicherheit gebracht

Auch zahlreiche Karibikurlauber waren vom Hurrikan betroffen. In der Dominikanischen Republik brachten die Behörden rund 7500 Touristen in Sicherheit. In Kuba wurden rund 36.000 Urlauber von der besonders gefährdeten Nordküste an sicherere Orte gebracht, wie das staatliche Fernsehen berichtete.

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Mit Sorge blickten Hilfsorganisationen auf das bitterarme Haiti. Dort leiden die Menschen noch immer unter den Auswirkungen des Erdbebens von 2010 und Hurrikan "Matthew" im vergangenen Jahr. Viele Haitianer leben in provisorischen Unterkünften und sind schlecht auf einen neuerlichen Tropensturm vorbereitet. "Mit jeder Naturkatastrophe verschlechtert sich die Lage der Menschen", sagte Catherine Stubbe von der Hilfsorganisation Handicap International. "Wenn sie sich gerade von einem Unglück erholt haben, kommt das nächste."

Hurrikan Katia

Ebenfalls in der Gegend wütet der Tropensturm "Katia", der derzeit auf Kategorie 1 eingestuft ist. Er könnte vor Freitag die Küste des mexikanischen Bundesstaates Veracruz erreichen.

Hilfsorganisationen und die Behörden brachten sich am Donnerstag im Norden von Haiti in Stellung. Techniker, Mediziner und Rettungskräfte stünden bereit, um zu helfen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Nichtregierungsorganisationen schafften Hilfsgüter in die besonders gefährdeten Regionen.

Vermisste in französischen Überseegebieten

In den französischen Überseegebieten in der Karibik werden weiter Menschen vermisst. "Es gibt eine gewisse Anzahl, die als vermisst gelten", sagte Frankreichs Überseeministerin Annick Girardin Freitagfrüh dem Sender BFMTV.

Wie viele Menschen vermisst werden, sagte sie nicht - sie stellte aber in Aussicht, dass die Behörden in den kommenden 24 Stunden in der Lage sein könnten, eine Zahl zu nennen. Die Regierung in Paris hatte bisher vier Tote im französischen Teil der Karibikinsel Saint-Martin gemeldet. Auf der ebenfalls betroffenen Insel Saint-Barthelemy war zunächst kein Todesfall bekannt.