Nur zwei Jahre alt wurde Anakin. Dann starb der Bub. Wegen Unterernährung, er verhungerte mitten in Deutschland. Seine neun Monate alte Schwester konnten Ärzte retten. Von Mittwoch an steht nun seine Mutter vor Gericht. Sie muss sich nun wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. Der Junge wog am Ende nur noch etwas mehr als sechs Kilogramm, ein Gewicht, das manche Säuglinge mit wenigen Monaten bereits haben. Kinder in dem Alter bringen normalerweise 13 Kilo auf die Waage.
Die heute 40 Jahre alte Mutter hat zu dem Zeitpunkt neun Kinder, die sie alleine erzieht. Sie brachte ihren bereits bis auf die Knochen abgemagerten Sohn im Februar 2014 in die Klinik: Nicht wegen seiner Unterernährung und der herausstehenden Knochen, sondern wegen einer Magen-Darm-Infektion. Deswegen sei er auch so mager, behauptete sie. In der Klinik starb Anakin einen Tag später.
Jugendamt-Mitarbeiterin verurteilt
Im Frühjahr stand bereits eine Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes vor dem Amtsgericht Medebach. Sie hatte die Familie betreut und wurde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht gab ihr eine Mitschuld.
Rund sechs Monate vor dem Tod von Anakin zog die Mutter um, weil sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann getrennt hat. Zuvor hatte das Jugendamt die Familie bereits betreut. Die neu zuständigen Kollegen wurden schriftlich über die Situation informiert. In dem Brief ist konkret die Rede von "Kindeswohlgefährdung und Unterernährung".
Doch am neuen Wohnort kann eine Familienhebamme keine Unterernährung feststellen. Danach gibt es auch keine regelmäßigen Kontrollen mehr durch das Jugendamt. Auch, weil die Mutter sich abschottete, den Kontakt verweigerte.
"Nicht richtig hingeschaut"
Die Betreuerin sah nur selten vorbei und schaute bei einem Besuch Wochen vor dem Tod des Buben offenbar nicht richtig hin, wie das Gericht damals bemerkte. Sie habe nur interessiert, ob die älteren Kinder zu Schule gehen. Nachdem Staatsanwaltschaft und Verteidigung Berufung eingelegt haben, kommt es am Landgericht Arnsberg noch zu einer neuen Verhandlung.
Die nun angeklagte Mutter stand ebenfalls bereits in Medebach vor Gericht. In diesem ersten Prozess ging es noch nur um fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Damals hatte der Staatsanwalt vor Prozessbeginn der Mutter aber keinen Vorsatz unterstellt. Die neunfache Mutter sei überfordert gewesen, da seien die kleinen Kinder offenbar nicht genügend beachtet worden.
"Billigend in Kauf genommen"
Staatsanwaltschaft und Gericht kamen aber zu dem Schluss, dass die 40-Jährige sich nicht der fahrlässigen Tötung, sondern sogar einer vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht habe. Die Mutter habe den Tod zwar nicht gewollt, aber billigend in Kauf genommen. Der Zustand des Kindes muss erkennbar gewesen sein. Daher wird der Fall am Landgericht verhandelt.
21.700 Kinder vernachlässigt
Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind im vergangenen Jahr 21.700 Kinder unter 14 Jahren von den Jugendämtern in Obhut genommen worden - am häufigsten weil die Eltern überfordert waren und weil die Kinder vor Vernachlässigung geschützt werden sollten.