Hinter den Terrorattacken in Spanien mit 14 Toten steckt nach ersten Erkenntnissen der Polizei eine organisierte Islamisten-Zelle. Der mutmaßliche Haupttäter, der am Donnerstagabend auf Barcelonas Flaniermeile La Rambla mit einem Lieferwagen in Gruppen von Passanten gerast war, ist Medienberichten zufolge nicht mehr am Leben.
Er sei unter den fünf Terroristen gewesen, die in der Nacht zum Freitag in der Küstenstadt Cambrils erschossen wurden, berichteten die Zeitung "El Pais" und andere spanische Medien am Abend unter Berufung auf Polizeikreise.
In Ripoll 100 Kilometer nördlich von Barcelona, in Cambrils und in Alcanar nahm die Polizei bis Freitag vier mutmaßliche Terroristen fest. Keiner von ihnen sei bis dahin durch terroristische Aktivitäten in Erscheinung getreten, teilten die Sicherheitskräfte mit. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich.
Organisiertes Kommando
Die katalanische Polizei geht davon aus, dass die Attacken in Barcelona und Cambrils nicht das Werk von Einzeltätern, sondern eines organisierten Kommandos waren. Zwischen beiden Taten bestehe ein Zusammenhang, teilten die Sicherheitskräfte mit.
Die Terroristen hätten die Attacken vermutlich seit längerer Zeit in Alcanar vorbereitet - dem 10.000-Einwohner-Ort südlich von Tarragona, in dem sich am Mittwoch die Explosion in dem Wohnhaus ereignet hatte. In dem Gebäude sollen nach Informationen der Zeitung "El Pais" etwa 20 Gasflaschen gelagert worden sein. "Alles begann in Alcanar", titelte das angesehene Blatt. Die Polizei gehe davon aus, dass der Terrorzelle etwa zwölf Mitglieder angehörten. Am Freitag wurde dort spanischen Medienberichten zufolge eine zweite Leiche gefunden.
Opfer aus 34 Ländern
Bei dem Anschlag im Herzen Barcelona kamen 13 Menschen ums Leben, mehr als 100 wurden verletzt, darunter eine Österreicherin. Nur Stunden später wurde im Badeort Cambrils rund 100 Kilometer weiter südlich eine Frau von flüchtenden Terroristen getötet. Die katalanischen Rettungsdienste teilten mit, die Opfer der Anschläge von Barcelona und Cambrils stammten vermutlich aus 34 Ländern. Die Zahl sei noch vorläufig. Wie viele Opfer jeweils aus welchem Land stammen, war noch ungewiss.
Die Polizei erschoss in der Touristenhochburg an der "Goldküste" fünf mutmaßliche Mitglieder der Terrorzelle und verhinderte damit einen weiteren Anschlag. Bei dieser Aktion soll auch der Fahrer des Tatfahrzeugs in Barcelona getötet worden sein, wie Medien ohne Nennung eines Namens oder von Einzelheiten berichteten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es bis zum Freitagabend nicht.
Dem Bruder den Pass gestohlen und Auto gemietet
Die Sicherheitskräfte hatten zuvor mitgeteilt, sie fahndeten nach einem 17-Jährigen mit dem Namen Moussa Oukabir als Haupttäter. Er soll seinem älteren Bruder dessen Pass gestohlen und damit den Transporter angemietet haben, mit dem Anschlag auf der Flaniermeile La Rambla verübt wurde. Ob Moussa Oukabir auch der Fahrer des Transporters war, war unklar.
Die Herkunft der 13 Toten von Barcelona ist noch nicht völlig geklärt. Fünf der Opfer seien noch nicht identifiziert, sagte ein Vertreter der katalanischen Regionalregierung am Freitag bei der Ankunft von Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel in Barcelona. Damit sei auch noch nicht auszuschließen, dass Deutsche unter den Toten seien, fügte er hinzu.
"Kein Versagen der Behörden"
Terror-Experte Peter Neumann aus London sagt, die spanischen Behörden hätten eigentlich nichts falsch gemacht. Seit dem verheerenden Anschlag auf den Bahnhof von Madrid im Jahr 2004 mit 191 Toten seien die Jihadisten konsequent überwacht, Moscheen und Gefängnisse im Auge behalten worden. Es habe mehr als 200 Verhaftungen gegeben, und keinen weiterne Anschlag seither, obwohl die Nähe zu IS-Rekrutierungsgebieten in Nordafrika, insbesondere Marokko, ein Gefahrenpotenzial sei.
"Ein Anschlag auf Europa"
"Das ist kein Anschlag gegen Spanien oder Barcelona, sondern ein Anschlag auf Europa", erklärte Neumann im Interview mit der ARD. "Und es gibt keinen Grund zu glauben, dass das plötzlich wieder aufhört." In den vergangenen 12 bis 18 Jahren habe der IS seinen Anhängern klar gemacht, dass sie nicht mehr nach Syrien oder in den Irak kommen sollten. Das Kalifat sei am Zusammenbrechen. Die IS-Leute sollten den vermeintlichen Feind jetzt dort treffen, wo es am meisten schmerzt. Zu Hause.
"Datenaustausch funktioniert nicht"
Auf die Frage, ob es anderer Sicherheitsvorkehrungen bedarf, antwortete Neumann, alle Sicherheitsbehörden hätten dasselbe Problem: Die Messenger-Dienste, über die die Terroristen kommunizierten, seien stark verschlüsselt und die Behörden daher oft blind. "Das kann nur international gelöst werden, dadurch, dass der Datenaustausch besser funktioniert."