Der Angriff eines mutmaßlichen Rechtsextremisten mit einem Auto auf Gegendemonstranten in Charlottesville kann nach Ansicht von US-Justizminister Jeff Sessions als "Terrorismus" eingestuft werden. Sessions sagte am Montag dem Sender ABC, die Attacke mit einem Todesopfer und 19 Verletzten "passt zur Definition von einheimischem Terrorismus nach unserem Gesetz". US-Präsident Donald Trump äußerte sich auch heute zunächst selbst nicht eindeutig zu den Vorfällen.  Er wurde scharf dafür kritisiert, dass er Rassismus und Rechtsextremismus nicht beim Namen genannt, sondern die Gewalt "vielen Seiten" zugeschrieben hatte.

Sessions Einordnung ist politisch wichtig. Anders als etwa bei der Zuschreibung von islamistisch motiviertem Terrorismus tut sich die Trump-Regierung sehr schwer, in den USA von Amerikanern begangene Verbrechen als Terrorismus zu bezeichnen. Auch Sicherheitsberater H.R. McMaster hatte nach der Tat gesagt: "Natürlich war das Terrorismus."

Der Täter hatte sein Auto am Samstag offenbar absichtlich in eine Gruppe von Menschen gesteuert, die gegen einen rechtsextremen Aufmarsch protestierten. Sessions kündigte zugleich an, dass die Ermittlungen der Justiz in dem Fall mit dem Ziel der "härtesten Anklage" geführt würden, denn dies sei "unzweifelhaft ein unakzeptabler, bösartiger Angriff" gewesen. Das Justizministerium hat in dem Fall Ermittlungen auf Bundesebene eingeleitet, die US-Bundespolizei FBI ermittelt.

>> Zersplittert, fanatisch, gefährlich - Amerikas rechte Szene

Der Fahrer des Wagens, ein 20-jähriger mutmaßlicher Neo-Nazi aus Ohio, wurde festgenommen. Ihm wird Mord mit bedingtem Vorsatz vorgeworfen.

Vertreter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem äußerten sich am Montag "sehr besorgt über die Bilder, die hasserfüllte Rhetorik und die darauf folgende Gewalt" in Charlottesville. "In unserer globalen Gesellschaft nach dem Holocaust ist kein Platz für Rassismus oder Antisemitismus", hieß es in der Stellungnahme der Einrichtung in Jerusalem. Die antijüdische Ideologie der Nazis sei ein Vorläufer der Vernichtung von sechs Millionen Juden gewesen. "Diese Bilder erinnern uns einmal mehr daran, dass wir wachsam bleiben und die Öffentlichkeit über Hass und Fremdenfeindlichkeit aufklären müssen."

Merck-Chef verlässt Beraterstab

Der Chef des US-Pharmakonzerns Merck hat aus Protest über die Reaktion von Donald Trump auf einen Extremistenaufmarsch ein Beratergremium des Präsidenten verlassen. Der Afroamerikaner Kenneth Frazier erklärte am Montag auf Twitter, die Führung des Landes müsse "zu unseren grundsätzlichen Ansichten stehen, indem sie Äußerungen von Hass, Fanatismus und eine Überlegenheit bestimmter Gruppen klar zurückweist".

Diese liefen dem amerikanischen Ideal zuwider, dass alle Menschen gleich seien. Trump erwiderte kurze Zeit später ebenfalls per Twitter, der Merck-Chef werde dann wohl jetzt mehr Zeit haben, die hohen Arzneimittelpreise zu senken.

In mehreren US-Städten versammelten sich am Sonntag Menschen zu Demonstrationen gegen Rassismus. In Chicago protestieren die Aktivisten mit Puppen von Präsident Trump, Vize Pence, Justizminister Sessions sowie einem "white supremacist"-Skelett
In mehreren US-Städten versammelten sich am Sonntag Menschen zu Demonstrationen gegen Rassismus. In Chicago protestieren die Aktivisten mit Puppen von Präsident Trump, Vize Pence, Justizminister Sessions sowie einem "white supremacist"-Skelett © APA/AFP/JOSHUA LOTT

Mike Pence: Trumps Ausputzer 

Seit sieben Monaten ist Mike Pence der Ruhepol in der US-Regierung. Der erfahrene Polit-Profi glättet immer wieder die Wogen, die sein impulsiver Chef aufwühlt. Auch als US-Präsident Donald Trump eine eindeutige Verurteilung der Ausschreitungen rechtsextremer Gruppen vom Wochenende vermissen lässt, ist Pence zur Stelle und verteidigt seinen Vorgesetzten.

Obwohl Pence bisher keinen Zweifel an seiner Loyalität zu Trump aufkommen lässt, werden ihm höhere Ambitionen nachgesagt. Einen Bericht, wonach er sich hinter den Kulissen bereits als Trumps Nachfolger in Stellung bringt, wies Pence aber kürzlich empört zurück.

Trump hatte nach den Ausschreitungen rechtsextremer Gruppen in Charlottesville eine klare Schuldzuweisung zunächst vermieden und stattdessen die "Gewalt auf vielen Seiten" kritisiert. Pence hingegen verurteilte eindeutig den "Hass und die Gewalt" der Rechtsextremen und betonte, diese "gefährlichen Randgruppen" hätten keinen Platz in den USA. Gleichzeitig verteidigte er Trump. Auch der US-Präsident habe sich "klar und eindeutig" geäußert.

Professionelle Sachlichkeit

Pence hat seine Rolle als loyaler Vertreter des aufbrausenden Polit-Quereinsteigers Trump gefunden. Während in Trumps Äußerungen oftmals kein Platz für Zwischentöne bleibt, bemüht sich der Vizepräsident um professionelle Sachlichkeit, so zuletzt in der Venezuela-Krise, als Trumps Drohungen in Richtung Caracas für Aufsehen sorgten. Pence hingegen betonte am Montag das Interesse der USA an einer friedlichen Beilegung der Krise, ohne dabei die von Trump ins Gespräch gebrachte "militärische Option" auszuschließen.

Pence bewies bereits im Wahlkampf seinen Nutzen als verlässlicher und wortgewandter Weggefährte. Der Ex-Gouverneur und langjährige Kongressabgeordnete steuert die politische Erfahrung bei, die Trump und einem Großteil seines Teams fehlt. Als evangelikaler Christ stellt der Vize zudem ein wichtiges Bindeglied zur religiösen Rechten dar. Eine seiner Hauptaufgaben besteht darin, die Beziehungen des Weißen Hauses zum Kongress zu pflegen, wo nicht nur unter den oppositionellen Demokraten, sondern auch unter den Republikanern wegen Trumps turbulenter Präsidentschaft große Unruhe herrscht.

In seiner besonnenen und zurückhaltenden Art stellt der Vizepräsident den charakterlichen Antipoden zu Trump dar - weshalb ihn viele im derzeitigen Regierungschaos als Stabilitätsanker sehen. Im Temperament seines Chefs sieht Pence offenbar kein Problem. In einem Interview bezeichnete er es sogar einmal als "erfrischende" Eigenschaft von Trump, "dass er sagt, was er denkt".