Einen besonderen Gipfelsieg haben acht Lungentransplantierte gemeinsam mit Ärzten und Betreuern der MedUni Wien/AKH im Juni gefeiert: Sie bestiegen den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas, und zeigten, welche Lebensqualität und Leistungsfähigkeit durch eine Transplantation erreicht werden kann. Anlässlich einer Pressekonferenz berichteten einige Teilnehmer am Montag über ihre Erfahrungen.
"Im ersten Moment war das natürlich schon eine ein bisschen verrückte Idee", sagte Walter Klepetko, Leiter der Klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie der MedUni/AKH Wien. "Da ist auch ein enormes Risiko dabei gewesen, das wir sehr bewusst und geordnet eingegangen sind."
Mit transplantierter Lunge auf den Kilimandscharo
Bei der Vorbereitung und der medizinischen Kontrolle während der Expedition gingen die Ärzte, darunter Klepetko und der Pulmologe Peter Jaksch, und auch die Patienten kein Risiko ein. Vor dem Aufstieg wurden Ausdauer und Kraft trainiert, währenddessen regelmäßig verschiedene Werte - u. a. Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoff und Immunsuppressionsspiegel - der Teilnehmer gecheckt. Alle nötigen Medikamente, auch für mögliche Notfälle, wurden mitgeführt.
Zwei Patienten mussten aufgeben
Ohne schwerwiegende gesundheitliche Probleme erreichten dann am 18. Juni acht Patienten aus sechs Ländern sowie 24 Begleitpersonen - Ärzte, Physiotherapeuten und Krankenpfleger - nach insgesamt acht Tagen den Gipfel des Kilimandscharo (5.895 Meter) im ostafrikanischen Tansania. Zwei Patienten hatten bei einer Höhe von 4.000 Metern ihre Grenzen erkannt und waren sicherheitshalber umgekehrt. Täglich wurde eine Strecke von rund 15 bis 17 Kilometern bewältigt, zumeist unter schwierigen Bedingungen wie eisigen Temperaturen.
Die wagemutige Idee zu der gemeinsamen Expedition hatte Jaksch, der am AKH Wien die Patienten nach deren Lungentransplantationen betreut. Er übernahm die Planung und Organisation der Tour. Vor etwa zwei Jahren hatte er begonnen, nach geeigneten Teilnehmern zu suchen. Die Lungentransplantation der Patienten musste mindestens ein Jahr her sein, ihre Lungenfunktion normal und die ergometrisch gemessene Fitness top. Alterslimit gab es keines. Die Patienten waren im Alter zwischen 23 und 63 Jahren und bereiteten sich etwa ein Jahr lang individuell körperlich und mental auf das Abenteuer vor.
Expedition kostete Überwindung
Für den 45-jährigen Teilnehmer Andreas Gappmayr, der vor seiner Transplantation 2002 an Cystischer Fibrose gelitten hatte, waren die gegebene Sicherheit und die gute Betreuung während der Expedition ein wichtiger Aspekt, mitzumachen. Er war zuvor bereits schon sportlich und geht gerne auf die heimischen Berge. Der Aufstieg in Afrika sei anfangs aber sehr beschwerlich gewesen. "Es hat schon Überwindung gekostet, die ganze Sache", sagte der Salzburger, "Im letzten Drittel war dann kurz mal die Frage, ob man aufgeben soll oder nicht. Dann beißt man halt nochmal die Zähne zusammen und versucht, sein Bestes zu geben."
Heiratsantrag auf dem Gipfel
"Die Sonne ist dann schlussendlich aufgegangen, das gibt einem noch einen Impuls mehr, dass man weitergeht. Der Gipfelsieg ist dann natürlich das Unbeschreibliche. Ich hab das Glück gehabt, dass meine zukünftige Frau mitgehen durfte - und ich hab ihr oben einen Heiratsantrag gemacht. Das war das Glücksgefühl für uns beide schlechthin."
Für Klepetko hob das gemeinsame Erlebnis zudem die Arzt-Patienten-Beziehung auf ein neues Niveau. Der Chirurg freute sich diesbezüglich über ein intensiviertes Erleben: "Es war so beeindruckend zu sehen, wie schaut das Leben dieser Menschen aus, was ist da möglich, wie empfinden sie das. Das war wirklich sehr bereichernd. Wenn man acht Tage mit seinen Patienten unterwegs und teilweise auch in schwierigen Situationen zusammen ist, die meistert, das schweißt einerseits menschlich zusammen, andererseits bekommt man einen viel detaillierteren Blick auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten eines Patienten. Das ist etwas, das ich als sehr, sehr positiv vom Berg mit heim genommen habe."
Wissenschaftlich ausgewertet
Man habe durch das Unternehmen zeigen wollen, was "nach so großen Eingriffen und mit moderner Medizin" erreichbar ist. Zudem wurden permanent Untersuchungen während der Expedition durchgeführt, zu deren Ergebnissen nun mehrere wissenschaftliche Publikationen geplant sind. Die Auswertungen laufen derzeit noch und sollen laut Klepetko bis September dieses Jahres finalisiert sein: "Was man jetzt schon zum Ergebnis sagen kann: Die Sauerstoffwerte waren bei den Transplantierten besser als bei den Nicht-Transplantierten".
Mit der Expedition habe man auch die Internationalität des erfolgreichen Transplantationsprogramms in Wien würdigen wollen, erklärte Klepetko. Die Teilnehmer waren aus sechs verschiedenen Ländern - "im Wesentlichen die Länder, mit denen wir in den letzten 15 bis 20 Jahren eine Kooperation gehabt haben." Organe aus diesen Ländern (u. a. Ungarn, Slowenien, Rumänien, Griechenland) wurden in Österreich verpflanzt, Patienten aus den betreffenden Ländern in Wien operiert. Zum "großen Vorteil Österreichs" da "überschüssige" Organe hierzulande transplantiert wurden und so auch die Mortalität auf der Warteliste sehr gering sei.
Projekt soll weiterlaufen
In Zukunft müsse man schauen, wie das Programm weiter fortsetzen werden kann, meinte Klepetko. Man sei bemüht, die einzelnen Länder selbstständig zu machen. In Budapest werde bereits mit Unterstützung aus Wien erfolgreich transplantiert, die nächsten Schritte seien Slowenien und in einem Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren solle auch in Griechenland eigenständig transplantiert werden. Die Slowakei ist nicht mehr bei der Kooperation dabei, da es Schwierigkeiten mit der Bereitstellung der Organe gegeben habe. Das sei jedoch ein Ausnahmefall. "Erfreulicherweise ist es mir aber gelungen, das Land stärker an Tschechien zu binden", sagte Klepetko.
"Wir haben im Laufe der Jahre die Ergebnisse immer weiter verbessern können", lobte Klepetko das AKH bzw. die MedUni Wien als eines der vier weltweit führenden Zentren für Lungentransplantation. Seit der ersten Transplantation 1989 wurden insgesamt über 1.800 weitere durchgeführt. Die Mortalität sei mittlerweile sehr gering. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 wurden bereits 57 Lungen transplantiert, "nur" ein Patient sei dabei verstorben. "Wir sind in einem Bereich angekommen, wo wir wirklich eine hohe Qualität erreicht haben", so Klepetko.