Nach dem Selbstmordanschlag von Manchester hat Großbritannien erstmals seit 2007 die Terror-Warnstufe angehoben. Dies bedeute, dass ein weiterer Anschlag unmittelbar bevorstehen könne. Die Bedrohungslage werde auf Basis der Ermittlungen nun als kritisch eingestuft, sagte Premierministerin Theresa May am Dienstagabend in einer Fernsehansprache nach einer Sitzung des Sicherheitsrats.
Zudem soll die Armee die Polizei im Inland entlasten, Soldaten sollen zusätzlich zu Polizisten etwa bei Großveranstaltungen für Sicherheit sorgen. Die Polizei habe die Unterstützung durch die Streitkräfte beantragt, sagte May. Man dürfte nicht ignorieren, dass womöglich eine größere Gruppe von Einzelpersonen in den Anschlag vom Montagabend verwickelt sei.
Die örtliche Polizei hat die Bürger zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen. Verdächtige Beobachtungen sollten sofort gemeldet werden, erklärte Polizeichef Ian Pilling am Mittwochmorgen via Twitter. Im Großraum Manchester sei die Polizeipräsenz erhöht, und dies werde vorerst so bleiben. Die Erhöhung der Terrorwarnstufe in ganz Großbritannien auf das höchste Niveau helfe auch der Polizei in Manchester bei ihren "schnell voranschreitenden Ermittlungen", sagte er demnach. "Die Bürger haben eine ungeheure Stärke und Widerstandskraft unter Beweis gestellt - darauf sind wir auch in den nächsten, schwierigen Tagen angewiesen."
Der Chef der nationalen Anti-Terror-Polizei, Mark Rowley, erklärte: "Die Ermittlungen in Manchester sind groß angelegt und gehen zügig und gut voran." Er verwies dabei auf die Festnahme eines Verdächtigen sowie mehrere Razzien am Dienstag. Dennoch könne die Polizei noch nicht ausschließen, dass eine größere Gruppe an der Bluttat beteiligt sei. Rowley, sagte, die Entscheidung, die Warnstufe zu erhöhen, sei eine Vorsichtsmaßnahme. Er hoffe, dieses Niveau werde wie in der Vergangenheit nicht für eine längere Zeit beibehalten. Polizisten in Großbritannien tragen nicht immer Waffen bei sich. Die Londoner Polizei hat aber angekündigt, etwa beim Fußball-Pokalfinale und einem Rugbyspiel am Wochenende zusätzliche bewaffnete Beamte abzustellen.
Die Erhöhung der Terrorwarnstufe bedeutet, dass die Sicherheitsbehörden ein unmittelbar bevorstehendes Attentat für möglich halten. Militär soll die Polizei bei Wachaufgaben entlasten und so mehr Polizeistreifen ermöglichen. Auch bei Großereignissen wie Konzerten oder Sportveranstaltungen könnten Soldaten die Polizei unterstützen.
Kürzlich aus Libyen zurückgekehrt
Die Polizei geht davon aus, dass ein in Großbritannien geborener 22-Jähriger für den Anschlag verantwortlich ist, bei dem 22 Menschen getötet wurden, darunter auch Kinder. Der Attentäter ist einem Bericht der "Times" zufolge erst kürzlich aus Libyen wieder nach Großbritannien zurückgekehrt. Er soll nach US-Angaben vor dem Anschlag mit dem Zug von London nach Manchester gereist sein. Seine Eltern seien 1994 aus Libyen nach London ausgewandert. Seit mindestens zehn Jahren lebten sie im Süden Manchesters. Am Dienstag nahm die Polizei einen 23-Jährigen fest, bei dem es sich Medienberichten zufolge um den Bruder des Hauptverdächtigen handelt.
Die Titelseite der Sun vom Mittwoch zeigt erstmals das Bild des mutmaßlichen Selbstmordattentäters:
In Manchester setzen die Menschen auf Zusammenhalt: Im Zentrum Manchesters gedachten am Abend Tausende Menschen der Opfer. "Es sind schwere Zeiten auf den Straßen unserer Stadt, aber wir werden uns nicht unterkriegen lassen und wir wollen euer Mitleid nicht, weil dies der Ort ist, an dem wir stark zusammenzustehen, mit einem Lächeln im Gesicht", sagte der örtliche Dichter Tony Walsh vor der Menge.
Der sogenannte "Islamischer Staat" (IS) reklamierte das schwerste Attentat in Großbritannien seit zwölf Jahren für sich. Ungereimtheiten in den Angaben der Extremisten-Miliz ließen jedoch Zweifel aufkommen, ob sie wirklich verantwortlich ist. In der Vergangenheit haben sich einige IS-Bekenntnisse als falsch erwiesen.