Wissenschafter schlagen schon länger Alarm wegen der Verschmutzung der Ozeane. Die Leiterin des UNESCO-Meeresprogramms spricht von einem Wettlauf gegen die Zeit. Die Änderung des Verbraucherverhaltens könnte einiges ausrichten.
Wenn Jo Ruxton Werbung aus den 60er-Jahren für Plastikprodukte sieht, kann sie nur den Kopf schütteln. "Das wurde als besonders modern und fortschrittlich angepriesen", sagt die ehemalige BBC-Journalistin und langjährige Mitarbeiterin der Naturschutzorganisation WWF. Jahrzehnte später ist die Langlebigkeit von Plastik ein Problem auf den Weltmeeren. Aufgeschreckt durch Berichte über eine "Insel aus Plastik" im Pazifik, machte sich die passionierte Taucherin Ruxton vor gut acht Jahren an die Arbeit an einem Dokumentarfilm, um gemeinsam mit Wissenschaftern dem Problem des Plastikmülls in den Ozeanen nachzuspüren.
"Als wir dort im Pazifik waren, sah man nichts. Das Wasser dort sieht schön aus", berichtet die Britin bei einem Besuch in Frankfurt. Doch sobald Gewässerproben genommen wurden, war Schluss mit der schönen Illusion: "Überall war Plastik, je tiefer wir in das Gebiet kamen, desto mehr war es. Und es war vermischt mit Plankton - also direkt am Anfang der Nahrungskette."
Wohin das letztlich führt, zeigten zuletzt mehrere Berichte über Plastikteile, die in den Mägen von Seevögeln oder Robben gefunden wurden. Das Problem sei keineswegs auf den Pazifik beschränkt, betont Ruxton, die auch eine Stiftung gründete, welche Aufklärungsarbeit zum Thema Plastik im Meer leistet. "Wir sind in 22 Gebiete gereist. Selbst in der Arktis und Antarktis stießen wir auf Plastik."
Bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt warnte auch Lutz-Christian Funke, Vorstand der KfW-Stiftung, im Jahr 2050 könnten "mehr Plastikteile als Fische" in den Ozeanen schwimmen. Für Fanny Douvere, die Leiterin des Meeresprogramms des UNESCO-Welterbe-Zentrums, ein Skandal. Neben dem Klimawandel, illegaler Fischerei und allgemeiner Meeresverschmutzung sei Plastikabfall eine ganz besondere Herausforderung für die Welterbe-Stätten auf den Meeren, unter ihnen die Galapagos-Inseln und das australische Great Barrier Riff.
In Papahanaumokuakea, einem zu Hawaii gehörenden Atoll, etwa seien seit 1996 mehr als tausend Tonnen Plastikmüll von den Stränden geräumt worden, klagt Douvere. "Man stelle sich vor, der Tempel von Angkor Wat oder Machu Picchu wären von Müll überdeckt. Die internationale Gemeinschaft wäre empört."
Im Fall der kleinen pazifischen Inseln, weit weg von der Aufmerksamkeit der Welt, empörten sich nur Inselbewohner oder Umweltschützer. Und unter den mehr als tausend Welterbe-Stätten seien nur 49 in den Ozeanen. "Man kann sagen, dass die Ozeane unterrepräsentiert sind", sagt Douvere. Zudem befände sich der größte Teil der Meeresgebiete in internationalen Gewässern und unterläge keiner nationalen Rechtsprechung - eine Voraussetzung, damit die Welterbe-Konvention überhaupt greifen könne.
Auch Jo Ruxton findet, dass die Bedeutung der Ozeane noch viel zu wenig im Bewusstsein der Menschen verankert ist: "Die meisten Menschen denken, dass wir unseren Sauerstoff nur aus den Wäldern bekommen und dass der Schutz des Regenwalds deshalb wichtig ist. Aber etwa die Hälfte unseres Sauerstoffs kommt aus den Meeren." Und auch für diejenigen, die tief im Binnenland leben, gelte: Alle Plastikstoffe, die über Bäche und Flüsse ins Wasser gelangen, enden irgendwann im Meer.
Ruxton setzt auf eine Änderung des Verbraucherverhaltens: "In meinem Film habe ich Deutschland als positives Beispiel angeführt." Ob Mülltrennung oder Plastikpfand - wenn auch die Produzenten von Plastikprodukten zur Kasse gebeten würden, werde schneller über andere Verpackungen nachgedacht. "Jeder kann etwas tun," betont Ruxton. "Man kann aus Glasflaschen trinken oder eine Einkaufstasche mit zum Supermarkt bringen. Das haben wir doch früher auch getan."
Eva Krafczyk/dpa