Der Nobelpreis für Physik 2016 geht an drei in Großbritannien geborene, in den USA tätige Quantenforscher. Eine Hälfte des Preises erhält David J. Thouless, die andere Hälfte teilen sich Duncan M. Haldane und Michael Kosterlitz. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. Sie werden für die Erforschung exotischer Materiezustände ausgezeichnet.

Die Auszeichnung ist heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (830.000 Euro) dotiert. Der Preis wird am 10. Dezember, am Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters, verliehen.

Die diesjährigen Nobelpreisträger hätten "die Tür in eine bisher verborgene Welt geöffnet, wo Materie seltsame Zustände einnehmen kann", heißt es seitens des Nobelpreiskomitees. Die theoretischen Physiker hätten mit fortschrittlichen mathematischen Methoden ungewöhnliche Phasen oder Zustände von Materie, wie Supraleiter, Superflüssigkeiten oder dünne magnetische Filme untersucht.

Jagd auf neue und exotische Materiezustände

"Dank ihrer Arbeit ist die Jagd auf neue und exotische Materiezustände eröffnet", schreibt das Komitee, das auch Hoffnung für künftige Anwendungen in Materialwissenschaften und Elektronik sieht. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht ein fundamentales Teilgebiet der Mathematik, die sogenannte Topologie, sie bekommen den Preis für ihre "theoretischen Entdeckungen topologischer Phasenübergänge und topologischer Phasen von Materie", wie die offizielle Begründung lautet.

Mit Hilfe des Werkzeugs der Topologie konnten Michael Kosterlitz und David J. Thouless etwa Anfang der 1970er Jahre zeigen, dass entgegen der bis dahin geltenden Theorie Supraleitung, also der völlig verlustfreie Transport von Strom, auch in dünnen Schichten möglich ist. Solche dünnen, zweidimensionalen Schichten sind für die Wissenschafter besonders interessant, weil dort eine völlig andere Physik als in der üblichen dreidimensionalen Welt vorherrscht.

Das betrifft auch sogenannte Phasenübergängen, also etwa das Schmelzen von Eis in Wasser oder das Kondensieren von Dampf in eine Flüssigkeit. Kosterlitz und Thouless erreichten mit ihrer Arbeit ein völlig neues Verständnis von Phasenübergängen in dünnen Schichten, "die als eine der bedeutendsten Entdeckungen in der Festkörperphysik des 20. Jahrhunderts gilt", so das Nobelkomitee. Das wunderbare daran sei, dass dieser Kosterlitz-Thouless-Übergang (KT-Übergang) universell sei und bei verschiedenen zweidimensionalen Materietypen genutzt werden kann.

Thouless und Duncan M. Haldane legten zudem in den 1980er Jahren neue Theorien vor, die im Widerspruch zu bis dahin geltenden Annahmen standen, welche Materialien Strom leiten, speziell bei sehr niedrigen Temperaturen und in starken Magnetfeldern. Auch hier spielten topologische Konzepte eine entscheidende Rolle.

Mit Hilfe der Topologie konnte Thouless etwa den Quanten-Hall-Effekt theoretisch beschreiben: Der deutsche Physiker Klaus von Kitzling bemerkte, dass in Halbleiter bei sehr tiefen Temperaturen und in starken Magnetfeldern die elektrische Spannung nicht gleichmäßig, sondern sprunghaft wächst - er erhielt dafür 1985 den Physik-Nobelpreis.

Heute werde über topologische Isolatoren, topologische Supraleiter oder topologische Metalle gesprochen, es seien dies Beispiele für Gebiete an vorderster Front der Festkörperphysik in den vergangenen Jahren, betont man seitens des Nobelkomitees.

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den Japaner Takaaki Kajita und den Kanadier Arthur B. McDonald für die Entdeckung sogenannter Neutrinooszillationen, die zeigen, dass Neutrinos eine Masse haben. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.