Entspannte Gesichter bei Festleitung, Rettungskräften und Polizei: Das Oktoberfest ist ohne größere Zwischenfälle in die Endrunde gegangen. Es gab weniger Gewalt, weniger Diebstähle und weniger Notarzteinsätze. Allerdings kamen schon zum zweiten Mal in Folge deutlich weniger Besucher.

"Alleinstellungsmerkmal auf der Welt"

Nach ersten Schätzungen waren es 5,6 Millionen, fast so wenige wie 2001 nach den Terroranschlägen von New York. Das reicht aber immer noch für das Prädikat "größtes Volksfest der Welt". Der Cannstatter Wasen in Stuttgart mit etwa vier Millionen Gästen belegt damit zum wiederholten Male Platz zwei in Deutschland.

Die Frage "Wasen bald größer als Wiesn?", die nach einem regenbedingt verpatzten ersten Wochenende aufkam, wies Festleiter Josef Schmid (CSU) daher erhobenen Hauptes zurück: "Das Münchner Oktoberfest ist das Original. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal auf der Welt." Die geringeren Gästezahlen mit weniger Gedränge erlaubten ein "entschleunigtes Bummeln".

Nach den Anschlägen in Paris, Brüssel und Nizza, aber auch in Bayern herrschten die strengsten Sicherheitsvorkehrungen in der mehr als 200-jährigen Geschichte des Volksfestes. Rucksäcke und Taschen mit mehr als drei Litern Fassungsvermögen waren verboten, in kleinere sahen beim Einlass Ordner in schrillgelben und orangen Westen. Jeder musste an ihnen vorbei. Erstmals war das Gelände ganz umzäunt.

Neue Sitten auf der Wiesn

Der Zaun hielt auch jene ab, die früher nach durchzechter Nacht schon frühmorgens die Bierzelte belagerten. Es sei später losgegangen mit dem Alkohol, und die Menschen seien früher nach Hause gegangen, wenn sie gut gegessen hatten, sagte Schmid. Neue Sitten auf der Wiesn.

"Es war eine wunderschöne Wiesn. Endlich mal a bissel a Ruh", sagt der Präsident des Festrings München, Karl-Heinz Knoll, und Wirtesprecher Toni Roiderer meint: "Die, die nicht gekommen sind, sollten über ihre Angst mal nachdenken - weil die Angst die Lebensfreude nimmt." Ohnehin, so sagen viele, sei die Wiesn vermutlich "der sicherste Platz" in München gewesen.

Unter den strengen Augen der Ordnungskräfte kehrten auf dem Hügel hinter den Zelten, wo sich sonst Taschendiebe über schlafende Alkoholopfer oder Männer über betrunkene Frauen hermachten, etwas bessere Sitten ein. Erst am dritten Tag sei über die Videokameras überhaupt das erste Grüppchen auf diesem "grünen Hügel" entdeckt worden, sagte Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Die Beamten erwischten manchen Übeltäter in flagranti. Insgesamt registrierten sie gut 15 Prozent weniger Delikte als im Vorjahr.

Erinnerung an den Amoklauf

Von "Sicherheitswiesn" und "Oktoberfestung" war vor dem Fest die Rede. Mantraartig wiederholten die Verantwortlichen: Es gebe keine konkrete Anschlagswarnung. Dennoch, die Gewalt des vergangenen Jahres hat das Leben verändert und auch die Münchner in ihrer sonst stoischen Ruhe erschüttert. Zum Anstich hörten die Besucher in den Zelten erstmals den Hinweis: Gleich werde es Böllerschüsse geben, sie verkündeten nur Eröffnung des Festes und seien ganz normal.

Wie schnell Menschen, aufgeschreckt von den jüngsten Bluttaten, Schüsse hören, wo gar keine sind, haben 66 Fehlalarme unmittelbar nach dem Amoklauf in München gezeigt. Dutzende verletzten sich, weil sie auf der panischen Flucht stolperten oder umknickten. Im Hofbräuhaus schlugen Menschen Fenster ein; eine Frau sprang und wurde schwer verletzt. An die 1500 Gäste flohen dort vor vermeintlichen Schüssen. In den großen Wiesn-Zelten sitzen 6000 oder 8000 Menschen. Auch wenn die Feuerwehr stets betont, dass die Rettungswege dort vorbildlich sind: besser, wenn hier keine Panik ausbricht.

Die Terrorangst, der Regen, aber auch die Grenzkontrollen hielten Gäste nun ab. Überladene Wohnmobile haben kaum eine Chance mehr. Und die Einreise aus Italien kann sich ziehen. "Da bleiben sie lieber daheim", sagt Standlbesitzer Stanislaus Steindl, der auf die Frage, welches Souvenir besonders gut gelaufen sei, nur die Antwort hat: "Gar keins." Von dem Hendl-Hut aus Plüsch, den der Wiesn-Chef als letzten Schrei ausgerufen hat, halten er und seine Frau Heidemarie nicht arg viel. "Alle wollen vegan leben. Und dann tun sie sich ein Hendl auf den Kopf."

Rückgang der Einsatzzahlen

Schon 2015 war die Besucherzahl nicht zuletzt wegen Grenzkontrollen auf 5,9 Millionen abgerutscht. 2009 kamen nach Al-Kaida-Drohungen 5,7 Millionen, 2001 waren es nach den Anschlägen in New York 5,5 Millionen. Selbst 1980, als beim schlimmsten Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte am Wiesn-Haupteingang eine Bombe zwölf Besucher in den Tod riss, feierten 5,1 Millionen Menschen.

Mancher hat die Zahlen schon hinterfragt. 1997 preschte der größte Wirt auf dem Stuttgarter Wasen, Walter Weitmann, vor und kritisierte die Berechnungen der Münchner. Eine Erfassung per Radar ergab aber: Die Schätzzahlen der Wiesn-Leitung waren sogar eher zu niedrig.

Auch jetzt kamen wieder Zweifel auf. Schausteller, Wirte und besonders Rettungskräfte und Polizei melden einen Rückgang ihrer Einsatzzahlen, der prozentual deutlich höher liegt als der von der Festleitung verkündete Besucherrückgang. Schmid wertet das als positives Signal, könne es doch bedeuten, dass das Volksfest nicht zuletzt dank der neuen Maßnahmen friedlicher und ruhiger wird: "Es ist vielleicht eine Wiesn, bei der sich die Gewohnheiten ändern."