Eine Kleinigkeit genügt, um eine Krise auszulösen. Dann liegt der 17-jährige Leon am Boden, schreit, schlägt um sich. Der Sohn von Sabine Richard ist schwer behindert, ein Autist. Irgendwann entscheidet die Mutter schweren Herzens, ihn ins Heim zu geben. In mehreren Einrichtungen stellt sie ihren Sohn vor. Überall wurde sie gefragt: Stimmen Sie zu, dass wir Ihren Sohn einsperren? Und sie tat es.
In zahlreichen bayerischen Heimen waren geistig behinderte Kinder und Jugendliche über Jahre immer wieder freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ausgesetzt. Diese Praxis hat ein Reporterteam von BR Recherche enthüllt. Und nach der Landespolitik reagiert jetzt auch die Bundespolitik: Die Grünen wollen die rechtlichen Voraussetzungen für den Umgang mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen im Heim neu regeln.
Bislang reicht es, wenn Eltern zustimmen, dass ihr Kind in einem Heim zum Beispiel in einem speziellen Raum eingeschlossen wird. Bei Erwachsenen müssen derartige Maßnahmen von Familienrichtern überprüft werden. Eine Lücke im Gesetz, finden die Grünen, und treten deshalb per Gesetzentwurf für ein einheitliches Verfahren ein.
Inzwischen wurden alle 104 Einrichtungen in Bayern umfassend kontrolliert. Darüberhinaus wurde ein Expertenrat eingesetzt, um die Aufklärung auf eine breite Basis zu stellen. In dem Gremium waren neben den Einrichtungen selbst und den Aufsichtsbehörden auch Behindertenverbände und Eltern vertreten.
Handlungsbedarf sehen die Grünen auch, weil viele Heime geistig behinderte Kinder nur aufnehmen, wenn sie von den Eltern eine pauschale Einwilligung für die Anwendung freiheitsbeschränkender Maßnahmen bekommen. Ein Missbrauch der Maßnahmen sei deshalb später allzu einfach. Außerdem habe der Bundesgerichtshof den Gesetzgeber bereits vor drei Jahren darauf hingewiesen, dass hier Handlungsbedarf bestehe.