Die Szene ist in Bewegung. Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte zuletzt bundesweit rund 9.300 Rocker in mehr als 600 lokalen Ablegern. Es gebe aber mehr und mehr Gruppen, die die Organisationsstruktur und das äußere Erscheinungsbild von Rockergruppierungen übernehmen bzw. nachahmen.
Allein in Baden-Württemberg gibt es rund 2.400 Mitglieder von Rockergruppen und rockerähnlichen Gruppen. Nach Angaben des Innenministeriums hat der Südwesten Deutschlands die größte Dichte. Die meisten Rocker zählen sich zu den vier großen Gruppen Bandidos, Gremium, Hells Angels und Outlaws.
Jüngere Gruppen expandieren
Neben den alten Motorradclubs wie den Hells Angels oder den Bandidos expandieren jüngere Gruppen - weniger Motorradromantik, weniger Ideologie, aber umso mehr Gewalt. Die Mitglieder sind laut BKA häufig junge Migranten, die dort "ein Zusammengehörigkeitsgefühl finden, das ihnen andernorts versagt wird", sagte Ulf Küch, Leiter der Kripo Braunschweig und stellvertretender Chef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
Die Straßengangs bestehen aus Bodybuildern, Kampfsportlern, Türstehern. Auch ethnische Konfliktlinien werden ausgefochten, etwa zwischen den türkisch-nationalistischen Osmanen und den kurdischen Bahoz. Meist geht es aber ums Geschäft, um Geld und Geltung. "Die Konflikte entspringen weniger den alten Territorialstreitigkeiten von Rockern, die Reviere markieren, als vielmehr dem Streben nach Geld", sagt Rocker-Experte und "Spiegel Online"-Chefreporter Jörg Diehl.
Drogen, Prostitution und Schutzgeld
Die Gangs verdienen ihr Geld mit Drogen, Prostitution und Schutzgelderpressung. "Da hilft ihr martialisches Auftreten, weil sie allein durch ihr Auftreten Angst und Schrecken verbreiten - das ist Teil der Geschäftsidee", erläuterte Küch.
"Was die Lage so brisant macht, ist, dass es keine klaren Fronten mehr gibt und dass die Clubs nicht mehr so diszipliniert funktionieren wir früher", warnt Diehl. Früher hätten Alphatiere Ansagen gemacht - wo es lang geht, gegen wen gekämpft wird und wann der Krieg auch wieder vorbei ist. Heute würden Fronten verschwimmen.
Der BDK fordert ein Verbot krimineller Rockergruppen. Die Polizei müsse sich besser vernetzen, sagt Küch. "Unser föderales System ist ein Handicap." Doch die Ermittler tun sich schwer in der Szene. Es gilt die Omerta, das Gesetz des Schweigens, wie in der Mafia. "Die Gruppen schotten sich sehr ab. Wer redet, setzt sich höchster Gefahr aus."