Nach einer erneuten Flüchtlingstragödie auf dem Mittelmeer mit 22 Todesopfern sind am Freitag erschütternde Details des Bootsunglücks bekannt geworden. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die an der Rettung der mehr als 200 Bootsflüchtlinge beteiligt war, verbreitete über den Kurznachrichtendienst Twitter die Aussage eines überlebenden Insassen namens David.
Panik und Leichen auf dem Boot
Demnach hatte sich in der Mitte des Bootes Wasser und Treibstoff gesammelt, was für einige Insassen zur tödlichen Falle wurde. "Die Menschen versuchten, nicht in das Becken mit Treibstoff/Wasser in der Mitte des Bootes zu rutschen, aber als sie an die Seiten rutschten, drang noch mehr Wasser ein", berichtete der Überlebende.
Aus der einen Seite des überfüllten Schlauchbootes sei daraufhin Luft entwichen. Die Bootsinsassen hätten versucht, das Wasser aus dem Boot zu schöpfen, das schnell kniehoch gestiegen sei. "Mädchen, die in der Mitte saßen, verfielen in Panik, versuchten aufzustehen", berichtete David. "Die Leichen lagen auf dem Boden unter Wasser, wir schrien und beteten, gerettet zu werden."
Ärzte ohne Grenzen kamen zur Hilfe
Die von Ärzte ohne Grenzen und der französischen Hilfsorganisation SOS Mediterranee gecharterte "MS Aquarius" war den Flüchtlingen am Mittwoch zu Hilfe gekommen. Die Helfer konnten laut Ärzte ohne Grenzen 209 Bootsinsassen retten, darunter zwei Schwangere und 50 Minderjährige. 21 Frauen und ein Mann starben. Ihre Leichen wurden am Freitag im Hafen von Trapani auf Sizilien an Land gebracht.
Überfüllte Flüchtlingsboote verunglücken immer wieder, wenn Hilfe naht, weil die Insassen sich dann stark bewegen und ihr Boot damit aus dem Gleichgewicht gerät. Über das Mittelmeer kamen seit Jahresbeginn nach neuen UN-Angaben bereits mehr als 80.000 Migranten und Flüchtlinge nach Europa. Seit 2014 starben mehr als 10.000 Bootsflüchtlinge oder gelten seitdem als vermisst - davon knapp 3.000 seit Jahresbeginn.
"Leute fernzuhalten, funktioniert nicht"
Der Einsatzleiter für die Rettungseinsätze von Ärzte ohne Grenzen auf dem Mittelmeer, Jens Pagotto, machte die EU-Flüchtlingspolitik für die Tragödien verantwortlich. "Politik, die versucht, die Leute fernzuhalten, funktioniert nicht", erklärte Pagotto. "Wie viele Leben noch müssen auf dem Meer verloren werden, bevor Menschen, die Hilfe und Schutz brauchen, eine sicherere Alternative bekommen?"