Die Ermittler hätten am Wohn- und Tatort "keinerlei Indizien" für eine Vernetzung des 17 Jahre alten Angreifers mit islamistischen Organisationen gefunden, sagte Bayerns Innenminister Herrmann am Dienstag in München. Der 17-Jährige war am Montagabend mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Er verletzte vier Menschen schwer und einen leicht.

Drei Menschen schwebten am Dienstag laut Würzburger Uniklinik in Lebensgefahr. Herrmann sprach von einem Opfer in akuter Lebensgefahr. Dabei handle es sich um ein Mitglied einer chinesischen Touristenfamilie. Auch eine Passantin wurde bei der Attacke verletzt.

Bei dem Angreifer, einem Jugendlichen aus Afghanistan, sei ein Text gefunden worden, der darauf hindeute, dass sich der 17-Jährige "in letzter Zeit selbst radikalisiert hat", sagte Herrmann. Doch "das ist alles noch nicht erwiesen". Der Text drehe sich um das Leben der Muslime, wonach diese sich zur Wehr setzen müssten. Auch ein Zeuge berichtete Herrmann zufolge, der Täter habe bei seinen Attacken "Allahu akbar" ("Gott ist groß") gerufen. Zudem wurde im Zimmer des 17-Jährigen eine handgemalte IS-Flagge gefunden.

Ruhig und ausgeglichen

Für Menschen, die in den vergangen Monaten in Kontakt mit dem Jugendlichen waren, sei diese Tat jedoch "völlig unbegreiflich". Der 17-Jährige sei als ruhiger und ausgeglichener Mensch geschildert worden. Er sei zwar ein "gläubiger Muslim" gewesen, doch "nur zu wichtigen Feiertagen in der Moschee" gewesen und "nicht jede Woche".

Herrmann sagte, es müsse nun dringend geklärt werden, wie es sein könne, "dass jemand, der nach Wahrnehmung seiner Mitmenschen bislang eigentlich eher unauffällig war und auf keinen Fall als radikal erschien, sich mutmaßlich in kurzer Zeit plötzlich umorientiert".

Der Jugendliche hatte ein Praktikum in einer Bäckerei gemacht - mit der Aussicht auf eine Lehrstelle. Er sei im Rahmen der Jugendhilfe intensiv betreut worden, sagte Sozialministerin Emilia Müller nach Angaben einer Sprecherin. Auch Müller sagte: "Wir müssen jetzt sehr genau analysieren, wie es trotz dieser guten Voraussetzungen dennoch zu dieser Gewalttat kommen konnte." Möglicherweise hat der Täter einen Abschiedsbrief hinterlassen. Es gebe ein Schriftstück, das nach erster Durchsicht als "Abschiedstext an den Vater" interpretiert werden könnte, sagte Herrmann.

Der Jugendliche habe am Montagabend gegen 20.00 Uhr seine Pflegefamilie verlassen. Vermutlich in Ochsenfurt sei er dann in den Zug gestiegen und habe dann "sehr schnell" Fahrgäste attackiert. Nach ersten Ermittlungen habe er seine Opfer zufällig ausgesucht.

Motivsuche

Der Staatsschutz konzentriert sich nun darauf, das Motiv des Täters aufzuklären. Den Ermittlungen zufolge war der Jugendliche vor etwa zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Seit vergangenem Jahr war er als Asylbewerber registriert. Seit März war er in einem Heim im Landkreis Würzburg untergebracht, die vergangenen zwei Wochen in einer Pflegefamilie.

Die IS-Terrormiliz hat nach Angaben ihr nahestehender Medien die Verantwortung für die Attacke übernommen. Bei dem Angreifer handle es sich um einen IS-Kämpfer, berichteten die IS-nahe Nachrichtenagentur Amaq und das IS-Radio Al-Bayan. Die Echtheit der Erklärung ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die vier Verletzten im Zug gehörten zu einer Urlauberfamilie aus Hongkong. Vater (62), Mutter (58), ihre Tochter (26) sowie deren Freund (30) wurden verletzt, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in Hongkong erfuhr. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt davon gekommen, berichtete eine amtliche Quelle, die nicht genannt werden wollte. 14 Menschen erlitten einen Schock.

Nach Angaben der Bundespolizei saßen 25 bis 30 Menschen in dem Regionalzug von Treuchtlingen nach Würzburg. Die Bahn war kurz vor dem Ziel, als der Angreifer losschlug. Als der Zug per Notbremse stoppte, sprang er aus dem Zug und flüchtete. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe gewesen war, nahm die Verfolgung auf.

Herrmann sagte, der 17-Jährige sei "mit der Axt auf Polizeibeamte losgegangen". Daraufhin hätten diese das Feuer eröffnet und den Jugendlichen erschossen. Das Landeskriminalamt hat dazu auch interne Ermittlungen aufgenommen. Dies sei ein üblicher Vorgang beim Schusswaffengebrauch von Beamten, sagte ein Sprecher in München.