Mehrere Heckenschützen haben während einer Protestaktion gegen Polizeigewalt in der US-Metropole Dallas fünf Beamte erschossen. Sieben weitere seien verletzt worden, teilte die Polizei in der texanischen Stadt mit. Ein Schütze - ob es der einzige war, ist noch nicht klar - wurde von der Polizei getötet. Es soll sich um einen 25-jährigen Mann namens Micah Xavier J. handeln.
Nach Angaben der Polizei bereiteten die Täter ihren Angriff sorgfältig vor, versteckten sich auf Dächern und setzten Scharfschützengewehre ein. Sie hätten den Endpunkt des Protestmarsches von drei Seiten her ins Visier genommen. Der Verdächtige, der sich in einem Parkhaus verschanzte, drohte mit der Tötung weiterer Beamter und erklärte, in dem Gebäude und in der ganzen Innenstadt seien Sprengsätze deponiert. Sondereinheiten der Polizei entdeckten aber keinen Sprengstoff.
Drei Festnahmen, Suche nach Sprengsätzen
In einer ersten Stellungnahme erklärte der örtliche Polizeichef David Brown, dass sich ein Verdächtiger in einem Parkhaus verschanzt hatte. Dort lieferte er sich einen Schusswechsel mit der Polizei. Der Verdächtige hätte gedroht, dass in der Stadt Bomben versteckt seien. "Er hat gesagt, er wird mehr von uns töten", sagte Brown in der Nacht auf Freitag (Ortszeit) vor Journalisten in Dallas. Der Mann habe gesagt, er sei entsetzt über die jüngsten Schüsse von Polizisten auf Schwarze und wolle Menschen weißer Hautfarbe töten, vor allem Polizisten. In den Verhandlungen mit der Polizei habe er angegeben, allein gehandelt zu haben. Es gebe auch keine Hinweise auf Verbindungen zu ausländischen Organisationen, sagte Brown.
Schließlich tötete die Polizei den Verdächtigen mit einem Sprengsatz, der an einem Roboter befestigt gewesen sein soll. US-Medien identifizierten den getöteten mutmaßlichen Angreifer als Micah Xavier J. aus Mesquite bei Dallas. Der Nachrichtensender CNN berichtete, der 25-Jährige sei Reservist der US-Armee und habe in Afghanistan gedient. Er sei als Maurer ausgebildet worden. Unklar sei, ob er ausführliches Schießtraining erhalten habe.
Drei weitere Personen waren schon vorher festgenommen worden, darunter eine Frau. Sie zeigten sich bei den Ermittlungen nicht kooperativ, erklärte Bürgermeister Mike Rawlings im Sender CBS. Bei den Angriffen wurden nach seinen Angaben zwölf Beamte und zwei Zivilisten von Geschossen getroffen. Drei der getroffenen Polizeibeamten seien Frauen. Die Polizei ist laut Rawlings weiter nicht sicher, ob sie alle Beteiligten am Angriff ausfindig gemacht habe.
Über die Tat selbst glaubt die Polizei, dass sich die Scharfschützen so positioniert haben, "um so viele Polizisten wie nur möglich zu verletzten und zu töten", sagt Brown. In der Nähe eines Verdächtigen, der sich mit der Polizei einen Schusswechsel lieferte und festgenommen wurde, wurde ein Paket gefunden.
Nach den Schüssen auf die Polizisten war Panik ausgebrochen. "Wir dachten, die schießen auf uns. Es war das totale Chaos." Ein Augenzeuge filmte aus einem Hotel heraus einen der Schützen. Als sich ein Polizist dem Mann genähert habe, habe dieser den Beamten regelrecht hingerichtet, sagte Ismael Jesus, dessen Aufnahmen von dem US-Sender CNN veröffentlicht wurden.
Obama: Vollste Unterstützung zugesichert
US-Präsident Barack Obama ist in Warschau, wo er am NATO-Gipfel teilnimmt, über die Lage in Dallas unterrichtet worden, wie sein Sprecher Josh Earnest Freitagfrüh mitteilte. In einer ersten Stellungnahme äußerte er sich entsetzt. Die Tat erfülle ihn mit Abscheu, er sprach von einer gezielten Attacke auf Polizisten.
Obama sagte den Behörden in der texanischen Stadt seine vollste Unterstützung zu. Er habe außerdem sein Team gebeten, ihn laufend über die Situation in der Stadt zu informieren. US-Justizministerin Loretta Lynch rief zu Besonnenheit und Gemeinschaft auf: "Gewalt ist nie die Antwort."
Reaktionen auf Bluttat im Social Web
Menschen weltweit teilen in den sozialen Medien - vor allem auf Twitter - ihre Bestürzung und Fassungslosigkeit über die tödlichen Vorkommnisse in der texanischen Großstadt Dallas. Auch Prominente in den USA zeigen sich bestürzt über die tödlichen Schüssen auf Polizisten. Rapper Jay-Z veröffentlichte ein Lied gegen Polizeigewalt. Sänger John Legend (37) etwa schrieb auf Twitter, das Töten durch Polizisten abzulehnen bedeute nicht, das Töten von Polizisten gutzuheißen. "Wir brauchen Frieden auf unseren Straßen." Der Tweet wurde innerhalb einer Stunde rund 16 000 Mal geteilt.
Schauspielerin und Oscarpreisträgerin Patricia Arquette (48) schrieb wenig später: "Bitte hört auf, euch gegenseitig umzubringen. Keine Schusswaffen mehr. Keine Gewalt mehr. Kein Mord mehr. Schrecklich."
Zwei Afroamerikaner in zwei Tagen erschossen
Vor der Bluttat fanden in Dallas, wie auch in vielen anderen US-Städten, friedliche Proteste gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner statt. Auslöser waren zwei erschossene Afroamerikaner innerhalb von zwei Tagen. In Falcon Heights im US-Bundesstaat Minnesota starb der 32 Jahre alte Philando Castile im Krankenhaus, nachdem ein Polizist bei einer Fahrzeugkontrolle auf ihn geschossen hatte. 48 Stunden zuvor hatten in Baton Rouge im US-Bundesstaat Louisiana zwei Polizisten den 37-jährigen Alton Sterling auf einem Parkplatz zu Boden gezwungen und ihn aus nächster Nähe erschossen.
Stunden vor dem Attentat auf Polizisten in Dallas meldete sich Barack Obama zur Gewalt gegen Afroamerikaner zu Wort. Die Tode der beiden Afroamerikaner seien ein Ereignis, das alle Amerikaner gleichermaßen angehen muss. "Wir erleben so etwas viel zu oft", sagte Obama unmittelbar nach der Landung in Warschau, wo er in der Nacht auf Freitag zum NATO-Gipfel eintraf. Der sichtbar berührte Präsident beschwor die Amerikaner, nach dem Geschehenen nicht in routinierte Reaktionsmuster zu verfallen, sondern innezuhalten.
Umfrage: Schwarz und Weiß beurteilen Lage in USA unterschiedlich
Laut einer Umfrage des "Pew"-Instituts in Washington sind fast 90 Prozent der Afroamerikaner in den USA der Meinung, dass das Land dringend weitere Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Schwarz und Weiß machen muss. 43 Prozent glauben aber nicht, dass das passiert. Dem stehen etwa die Hälfte der Weißen gegenüber, die sich ebenfalls für Veränderungen aussprechen. Außerdem sagen 38 Prozent der Weißen, es sei längst genug passiert.
Um ein Vielfaches mehr als befragte Weiße berichten Schwarze von alltäglichem Rassismus, schlechteren Schulen, von Schwierigkeiten im Umgang mit der Polizei oder bei der Arbeitsplatzsuche, in Restaurants, Banken oder vor Gericht. 46 Prozent der Weißen sagen, das Verhältnis Schwarz und Weiß sei in Ordnung. 61 Prozent der Schwarzen finden das Gegenteil richtig. Vier von zehn Weißen (22 Prozent der Schwarzen) sagen, es werde viel zu viel über dieses Thema geredet.
Beim durchschnittlichen Haushaltseinkommen ging die Schere zwischen den Ethnien in den USA weiter auseinander. 2015 lag es für Weiße bei 77.900 und für Schwarze bei 43.300 Dollar. Das Pew-Institut befragte 3769 Menschen, davon 1799 Weiße, 1004 Schwarze und 654 Latinos.