Sodelis Baloa weint. "Mein Kind hat Zika und jetzt sagen die Ärzte, es hat Komplikationen gegeben", erzählt die 31-Jährige, deren Tochter im Kinderspital der venezolanischen Stadt Valencia liegt. "Die Behandlung ist eine Katastrophe." In dem sozialistischen Land gibt es wegen Misswirtschaft und Devisenmangels eine dramatische Versorgungskrise, Eltern müssen Medikamente teils selbst kaufen.
Das Beispiel zeigt aber vor allem auch: Was Zika anrichtet, wie groß die Gefahr für Babys und Kinder ist, schürt Unsicherheit. Auch knapp ein halbes Jahr nach Ausrufung des Notstandes durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist wenig über das vor allem von Moskitos der Art Aedes aegypti übertragene Virus bekannt.
Schwere Schädelfehlbildungen
Mittlerweile ist aber bewiesen, dass das Zika-Virus schwere Schädelfehlbildungen (Mikrozephalie) bei Embryonen auslösen kann. Die Babys erblicken mit zu kleinen Köpfen und oft schwersten Behinderungen das Licht der Welt.
Eine nun vom "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Studie zeigt, dass die Zahl der Abtreibungswünsche sprunghaft angestiegen ist. Die Wissenschafter werteten Daten der Organisation "Women on Web" aus, die in Ländern mit restriktiven Abtreibungsregeln einen Zugang zu einem Abbruch anbieten. Auf Basis der Abtreibungsanfragen seit 2010 ermittelten sie einen Durchschnitt, den sie mit Daten seit dem 17. November 2015 verglichen, als die Panamerikanische Gesundheitsorganisation die erste Zika-Warnung aussprach. Demnach stieg die Zahl der Anfragen in Brasilien um 108 Prozent und in Venezuela um 93 Prozent.
Von 19 untersuchten Ländern lag die Zunahme in Staaten mit restriktiven Abtreibungsregeln bei mindestens 36 Prozent. Ein Treiber seien dabei wohl Ratschläge von Regierungen gewesen, auf eine Schwangerschaft wegen Zika vorerst zu verzichten - dies könnte bei bereits schwangeren Frauen zusätzliche Verunsicherung geschürt haben. Bisher gebe es keine gesicherte Zahl zur Zunahme illegaler Abtreibungen, etwa durch den Kauf entsprechender Medikamente auf dem Schwarzmarkt, betonen die Studienautoren.
Eine der Wissenschafterinnen, Abigail Aiken von der Universität Texas in Austin, betont: "Diese Studie hilft (...) nachzuvollziehen, wie stark die Sorgen um Zika das Leben schwangerer Frauen in der Region beeinflussen." Allerdings löst nur ein Bruchteil der Infektionen tatsächlich Mikrozephalie aus, es ist eines der Rätsel. In Brasilien gab es seit Herbst 2015 über 1.400 bestätigte Fälle - aber nur bei rund jedem siebenten Fall davon konnte auch eine Zika-Infektion der Schwangeren nachgewiesen werden.
Start mit Impfstoff-Tests
Die USA und Brasilien starten im Juli eine große Studie: 10.000 schwangere Frauen in Ländern mit einer starken Zika-Verbreitung werden begleitet, davon 4.000 in Brasilien. Ab November soll zudem mit Impfstoff-Tests an Affen und Mäusen begonnen werden - der Zika-Impfstoff soll als einmalige Dosis verabreicht werden und spätestens bis 2018 zur Verfügung stehen.
Eigentlich sind Schwangerschaftsabbrüche in dem am stärksten betroffenen Brasilien verboten - es sei denn es handelt sich um eine Vergewaltigung oder es gibt Hinweise auf akute Gefährdungen für die Gesundheit der Mutter. Im Zuge der Ausbreitung von Zika - die Zahl der Infektionen im Land wird auf bis zu 1,5 Millionen geschätzt - entbrannte eine Debatte für eine "Lex Zika" - wer Geld hat, kann in privaten Kliniken abtreiben, aber für die stark betroffene arme Bevölkerung ist das meist nicht möglich.
Das katholisch geprägte 200-Millionen-Einwohner-Land ist in der Frage aber gespalten. Eine Umfrage des Instituts Datafolha mit 2.768 Befragten ergab eine Mehrheit von 58 Prozent gegen eine Abtreibungserlaubnis für mit Zika infizierte Schwangere.
Im südamerikanischen Winter ist das Infektionsrisiko zwar weit geringer, weil die Moskitos weniger aktiv sind. Daher sieht die WHO keinen Grund für eine Verlegung der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Aber eine Lösung ist nicht in Sicht - so dominiert die Ungewissheit in den Ländern Lateinamerikas, wie der Fall der jungen Mutter Sodelis Baloa zeigt. "Niemand kann mir sagen, was los ist, die Ärzte vertrösten mich", klagt die Venezolanerin.