Das Gefühl, dass der Ehrentag für Mütter und der für Väter nicht den gleichen Stellenwert genießen, verfestigt sich nach einem kurzen Blick auf Google. Über elf Millionen Treffer wirft die Suchmaschine für den Muttertag aus, während das männliche Pendant nur etwas weniger als die Hälfte erreicht. Auch eine am Freitag veröffentlichte IMAS-Umfrage zeigt: Nur 24 Prozent billigen dem Vatertag eine ebenso hohe Bedeutung wie dem Muttertag zu, 59 Prozent halten ihn für weniger wichtig, nur für drei Prozent hat der Vatertag Vorrang.
Der moderne Vatertag
Dass es den Vatertag in seiner modernen Form überhaupt gibt, ist der Amerikanerin Sonora Smart Dodd zu verdanken. Im Jahr 1909 brachte die Tochter eines Bürgerkriegs-Veteranen erstmals die Idee eines "Father’s Day" auf, um ihren Vater William Jackson Smart zu ehren, dessen Frau bei der Geburt des sechsten Kindes gestorben war. Der Farmer zog die sechs Kinder alleine im Osten des Bundesstaates Washington auf. Dodd organisierte mit Hilfe der örtlichen Geistlichkeit im Jahre 1910 die Bewegung zur Ehrung von Vätern. Der erste Vatertag wurde im selben Jahr am 19. Juni in Spokane, Washington gefeiert.
Schnell verbreitete sich der Vatertag in ganz Amerika. 1924 empfahl Präsident Calvin Coolidge erstmals, den Vatertag offiziell als Feiertag in den USA einzuführen. Über 60 Jahre später, im Jahr 1974, erhob Präsident Richard Nixon den Vatertag in den Rang eines offiziellen Feiertages für den dritten Sonntag im Juni. Seitdem begegnen Kinder ihren Vätern mit zumeist selbstgebastelten Geschenken, Gedichten oder Blumen und gemeinsame Ausflüge stehen auf dem Programm.
Ursprung in Berlin
Der Vatertag dürfte in Wahrheit aber viel ältere Wurzeln haben und Jahrhunderte vor dem beliebten Muttertag entstanden sein: Seit dem 4. Jahrhundert feiern Christen 39 Tage nach Ostersonntag Christi Himmelfahrt, Jesu Rückkehr zu Gott. Im 16. Jahrhundert nutzten die Menschen den Anlass dazu, mit Prozessionen um ihre Felder zu ziehen und für eine gute Ernte zu beten. Abends trafen sie sich dann zum Tanzen, Essen - und zum Trinken.
Im 19. Jahrhundert war die kirchliche Tradition der Feier in Berlin und Umgebung so sehr in den Hintergrund getreten, dass sich der weltliche Brauch namens "Herrenpartie" entwickelte - als Landpartie getarnte, feuchtfröhliche Saufgelage, die dazu dienten, junge Männer in die Sitten und Unsitten der Männlichkeit einzuführen. Aus dieser Tradition entstand schließlich der moderne Vatertag: Im Jahr 1931 initiierte ein Herrenausstatter unter dem Motto "Schenkt Krawatten!" den Vatertag in Deutschland, der seit 1934 ein gesetzlicher Feiertag ist.
Anders als in Österreich, der Schweiz oder Italien, wo der Vatertag ein Familienfest ist, werden in Deutschland, vor allem im Osten des Landes weiterhin alkoholgetränkte Männertage zelebriert. Was zu verstärkter Polizeipräsenz, gesperrten Grillplätzen, randalierenden Männern, erheblich mehr Schlägereien und dreimal so vielen alkoholbedingten Unfälle wie an anderen Tagen, führt.
Der Vatertag in Österreich
Umstände, die hierzulande in keinster Weise an den Vatertag erinnern. In Österreich wurde der Vatertag von Helmut Herz forciert. Als die Textilbranche 1955 in der Krise steckte, waren gute Ideen gefragt - und der damalige Gloriette-Werbeleiter wusste auch, welche: Der Vatertag sollte im Jahr darauf die Sommerzeit beleben und den Konsum ankurbeln. Damit die Idee greifen konnte, musste das Vorhaben allerdings firmenneutral gestaltet werden, um auch andere Unternehmen dafür zu begeistern.
Inserate mit dem von ihm getexteten Spruch "Vater sein ist vielfach Plag', drum leb' er hoch der Vatertag" erschienen, Plakate und Aufsteller in den Schaufenstern begannen die Menschen ab Jänner/Februar für die Idee zu begeistern. Ein Zeichen- und Malwettbewerb zum Thema "Bild oder Beruf des Vaters" war ein ungeheurer Erfolg und gewann die Herzen der Kinder.
Datum raffiniert gewählt
Auch das Datum, den zweiten Sonntag im Juni, bestimmte der Werbeprofi: "Ich dachte, da hätten die Frauen noch ein schlechtes Gewissen, weil sie etwas zum Muttertag bekommen haben." Zudem hoffte man, die aus Amerika stammende Mode der "Buschhemden", die über der Hose getragen wurden, in der ansonsten "toten" Zeit vermarkten zu können. Erfolgreich wie es scheint: 2009 erreichte der Vatertag in Österreich mit 108 Mio. Euro bereits 2/3 der Muttertagsumsätze.
Vätertag in der Schweiz
In der Schweiz dauerte es etwas länger bis sich der Vatertag durchsetzte. Die Eidgenossen feierten erstmals am 17. Juni 2007 den „Vätertag“. Ins Leben rief ihn der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Der Schweizer Vätertag soll Wertschätzung für väterliches Engagement zum Ausdruck bringen und keine Kopie des Muttertags sein. Vielmehr soll er ein Vater-Kind-Tag sein und die Vaterschaft als solche zum Thema haben. Er beinhaltet auch eine politische Dimension: Die Rahmenbedingungen für ein engagiertes Vatersein in Beruf, Familie und Gesellschaft sollen verbessert werden.
Familiäre Verantwortung
So wie sich die Rolle der Väter gewandelt hat, hat sich auch der Vatertag im Wandel der Zeit verändert. Der Vatertag hat zwar immer noch nicht den Stellenwert des Muttertags, wird aber immer stärker wahrgenommen. Dinge wie Vaterkarenz und geteilte Haushalts- und Erziehungspflichten werden selbstverständlicher. Schätzungen zufolge, übernehmen mehr als die Hälfte der Väter zumindest einen Teil der familiären Verantwortung. Trotzdem bleibt die Mutter für 54 Prozent das prägendste Familienmitglied, für 32 Prozent ist das der Vater. Knapp die Hälfte glaubt, dass sich die Vaterrolle seit den 1970er-Jahren verändert hat, 31 Prozent finden das nicht, zeigt die IMAS-Umfrage, für die im April dieses Jahres 1007 Über-16-Jährige interviewt wurden.
Befragt, was sie von ihrem Vater bzw. ihrer Mutter gelernt haben, nennen die meisten Teilnehmer gutes Benehmen, Fleiß, Ehrlichkeit oder Sparsamkeit annähernd gleich oft bei beiden Elternteilen. Von den Müttern wurde ihnen zusätzlich "Hausarbeit, Ordnungssinn und Saubermachen" beigebracht.